Als wir Bangkok in den Abendstunden erreichen, sind es immer noch an die 30 Grad. Es ist doch dezent wärmer als Sri Lanka. Um ein wenig Geld zu sparen, wollen wir mit der City Line ein Stück weiter in die Innenstadt fahren. Musste man auf Sri Lanka noch im Fahren auf den Bus aufspringen, müssen wir uns in Bangkok in ein auf den Boden gezeichnetes Kästchen einreihen, um ordnungsgemäß in die nächste Bahn einsteigen zu können. Wir wechseln von der Bahn in ein Taxi. Der erste Taxifahrer wartet bereits am Straßenrand und vertreibt sich die Zeit mit einem Bier. Danke, wir wollen nicht mitfahren. Der nächste Fahrer kennt unser Hotel nicht und fährt weiter, beim vierten Versuch haben wir dann endlich Glück. Unser Fahrer weist uns mehrmals darauf hin, dass wir den Highway nehmen und wir die Maut von 50 Baht direkt bezahlen müssen. Schon wenige Minuten Fahrt später stehen wir vor unserem kleinen Bed & Breakfast in Saathorn.
Das Einchecken ist einfach, für uns wurde ein Schlüssel deponiert. Auch wenn es bereits nach 22:00 Uhr ist, laufen wir noch durch die benachbarten Straßen. Alle Läden sind geschlossen, es sind kaum Menschen unterwegs und Oh Gott, ist es warm. Nachdem uns die Restaurants nicht begeistern, macht Jasmin direkt ihre erste Garküchenerfahrung. Schräg gegenüber von unserer Unterkunft kocht eine junge Dame Suppe, wir sind die einzigen Touristen. Bei schummrigen Licht sitzen wir auf unseren Plastikhockern in einem Garagentor und löffeln ihr scharfes, aber wirklich köstliches Essen. Manchmal braucht es nicht viel, Bangkok hat uns direkt in seinen Bann gezogen.

Wer lange reist, braucht manchmal auch einen Arzt. Für eine kleine Untersuchung müssen wir am nächsten Tag in das BNH Hospital. So verbringen wir unseren ersten Tag im Foyer eines Krankenhauses, das eher einem 5 Sterne Hotel gleicht. Ein Angestellter öffnet einem bei Ankunft die Autotür, an der Rezeption werden nicht nur die persönlichen Daten inklusive Foto für die Akte aufgenommen, wir dürfen sogar selbst wählen welchen Arzt wir gerne als erstes sehen möchten. Es dauert keine Stunde bis die erste Untersuchung abgeschlossen ist. Der zweite Termin ist erst für den Nachmittag angesetzt, uns wird empfohlen die Zeit für einen kleinen Lunch zu nutzen und so schlendern wir zwischen Garküchen und Einheimischen, die ihre Mittagspause dort verbringen. Es gibt wieder Suppe. Die klare Brühe ist unvorstellbar lecker. Am späten Nachtmittag ist alles erledigt. Wir sind fit und können uns in das Großstadtgetümmel werfen.

Und trotz Großstadtgetümmel fühlt sich die Welt manchmal ganz klein an. Sind wir auch noch so weit von Deutschland entfernt, Bekannte und Freunde die auch gerade reisen, gibt es irgendwie immer und so treffen wir uns mit Dominiks altem Arbeitskollegen Sebastian und seiner Frau Franzi. Sie sind nach einer Thailandrundreise selbst erst heute in Bangkok angekommen und so sind wir zum gemeinsamen Essen verabredet. Ein wenig planlos treffen wir uns später an ihrem Hotel. Nach einer Weile ziellosem Umherirren, entscheiden wir uns für den Patpong Nachtmarkt. Eigentlich ein typischer Nachtmarkt, nur dass direkt an ihn ein Rotlichtviertel grenzt. Neben Obst, Nudelsuppen werden hier auch direkt daneben Ping-Pong Shows angeboten. Sind Reiseanekdoten immer unterhaltsam, sind aber vor allem die Geschichten aus der Heimat erfrischend. Mit fortschreitender Uhrzeit ändert sich das Schauspiel in unserer Umgebung. Mittlerweile sitzen wir auf der Terasse eines Pubs und thronen über der ganzen Szenerie. Betrunkene Sitznachbarn machen obszöne Gesten zu wartenden TukTuk Fahrern, die dies sichtlich erheitert, gleichzeitig steigen unter Getöse junge Thai Damen mit offensichtlichen Touristen in eines der TukTuks. Zeit nach Hause zu gehen.
Am nächsten Morgen folgt eine Bestandsaufnahme unseres Kleiderschranks. Die traditionellen Wäschen Sri Lankas haben einige unserer Kleidungsstücke ein wenig in Mitleidenschaft gezogen. War anfangs nur ein Shirt voll gelbem Staub hat sich dieser offensichtlich beim Waschen fleckenmäßig auf alle übrigen hellen Kleidungsstücke verteilt. Das Rot der Backpacker Hosen gibt einigen Kleidungsstücken einen femininen Touch. Ist jedes Kleidungsstück genau geplant, ist es bei so wenig Klamotten schon schwierig, wenn eine Hose plötzlich von Knöchellang nach Knielang schrumpft. Frischgewaschen sehen wir schmuddelig aus. Es ist Zeit Einiges zu ersetzen.
Schon als die Türen zur Metro sich öffnen, zieht eine arktische Briese an uns vorbei. Die Züge und manche Läden sind auf gefühlte 12 Grad herunter gekühlt. Schwer vorstellbar das Thais nichts permanent erkältet sind. Im Einkaufszentrum selbst ist die Hölle los. Um das zu überstehen müssen wir uns im Food Court stärken. Wir umrunden die einzelnen Imbissbuden einer ganzen Etage mehrmals, bis wir uns für einen Stand entscheiden können. An jeder Station gibt es andere Köstlichkeiten aus einem anderen Land, fast alle jedoch asiatisch. Die Entscheidung für ein Essen dauert hier länger als das Essen selbst. Das Einkaufszentrum an sich ist eben ein Einkaufszentrum. Wir betreiben Mall Hopping, da uns die ersten Malls zu teuer sind. Prada und Gucci sollten nicht unbedingt in ein Backpack geknautscht werden. Aber hier reiht sich Einkaufsparadies an Konsumwahnsinn, je weiter wir kommen, desto preiswerter wird es. Wir wollen in die Mall, die auch Einheimische nutzen. Auf dem Weg werden wir plötzlich von Schülerinnen angesprochen, ob wir ihnen bei ihren Hausaufgaben helfen würden. Verwirrt starren wir sie an. Wir dürfen uns in Thai probieren und sie dokumentieren die zweifelhaften Versuche mit ihrer Handykamera. Ein wenig zwanghaft lächelnd stottern wir die Worte für Gurke und Bohne in die Kamera. Ihr Lachen deuten wir mal als Dankbarkeit. Unsere kläglichen Sprachversuche werden mit kleinen Geschenken belohnt. Wir erhalten Snacks, einen kleinen wiederverwendbaren Beutel und eine Art gebastelte Trommel und malen uns aus, wie die Klasse nur wenige Tage später sich Videos von schlecht Thai sprechenden Touristen anschaut.
Die letzte Mall unterscheidet sich doch schon sehr, von dem was wir kennen. Das Gebäude erstreckt sich auch über mehrere Etagen, ähnelt aber eher einem Basar. Hier reiht sich Miniladen an Miniladen. Kleidungsstücke anprobieren darf man hier nicht. Platz für eine Umkleide wäre eh nicht. Am Ende finden wir ein Kleid für Jasmin und ein Shirt für Dominik. Immerhin.
Beim Frühstück am nächsten Morgen kommen wir mit unserem Tischnachbarn ins Gespräch. Ein Amerikaner, der als Lehrer in Kambodscha arbeitet, weiß einige Anekdoten aus Südostasien zu berichten. Auch für den Aufenthalt in Bangkok hat er ein paar interessante Tipps für uns. Kurzerhand ändern wir unsere Pläne. An den typischen Touristen Highlights wie dem Tempel Wat Arun und dem königlichen Palast haben wir sowieso kein sonderlich großes Interesse. Überlaufen und zu teuer. Der Königspalast kostet 12,50 Euro Eintritt pro Person. Kostet der berühmte Wat Arun auch nur knapp über einen Euro Eintritt, gibt es in Bangkok genug andere Tempel zu besichtigen, die nicht weniger schön sind. Wir vertrauen also unserem Tischnachbarn und starten unsere Tagestour mit einem chinesischen Friedhof, der nicht weit von unserer Unterkunft entfernt liegt.
Der Tipp mag ein wenig Grotesk sein, stellt sich aber als eines unserer Highlights der Stadt heraus. Uns erwartet ein seltsames Zusammenspiel. Bereits am Eingang passieren wir ein „eingezäuntes“ Fitnessstudio. Direkt daneben befinden sich die ersten, vereinzelten und völlig zugewucherten Gräber. Bei weiterer Erkundung des Geländes finden wir einen Spielplatz, zwei Basketballfelder und vermutlich kleine Restaurants oder Clubhäuser. Vor manchen stehen Schachbretttische, durch deren Mitte ein Loch gebohrt ist für den Sonnenschirm. Im Hintergrund läuft eine Karaoke Maschine. Ein älterer Herr singt aus Leibeskräften. Zwei Damen sitzen ein paar Tische weiter und genießen ihren Kaffee. Über die Hauptstraße laufen vereinzelt Jogger. Alles ist immer wieder umringt von Grabsteinen und wilder Natur, am Horizont ist die Skyline zu sehen. So absurd dieser Ort wirkt, so schön ist der Gedanke, die Toten in das Leben einzuschließen.
Ausflugstipp zwei des Amerikaners ist ein wenig mehr Mainstream. Ein nettes ruhiges Viertel auf der anderen Seite des Chao Phraya. Typisch Südostasiatisch erreichen wir das Viertel mit einem Boot. Die Fahrt ist günstig, solange man den richtigen Anbieter findet. Alle sehen auf den ersten Blick wie der originale, Lokalanbieter aus. Nur das Bild des Fahrplans verrät uns, wo wir unser Ticket kaufen müssen. Alle anderen Anbieter haben Touristen als Geldeinnahmequelle entdeckt und verlangen gerne das Dreifache. Nicht nur der Preis spricht für das alternative Fortbewegungsmittel, Bootsfahrten bieten immer eine schöne neue Perspektive auf eine Stadt. Der Fluss ist dreckig, Müll und Pflanzen schwimmen an uns vorbei. Langsame und schnelle Boote, Containerschiffe und Polizeiboote überholen uns. Das Ein- bzw. Aussteigen ist hektisch und schwankend, zum Festhalten gibt es auf der Plattform nichts. Es sind unterhaltsame 15 Minuten.
Am Chao Phraya entlang schlendern wir in Richtung des Viertels. Wir entdecken einen alten in die Jahre gekommenen Tempel, eine christliche Kirche, eine Schule, an der gerade Preise verteilt werden, sowie ein goldglitzerndes Tempelareal. Ein schöner Ausflug bei heute besonders schwülen und stickigen Temperaturen. Der Smog der Stadt liegt heute stärker in der Luft als an den Tagen zuvor. Uns brummt der Kopf und daher drehen wir zeitiger als geplant um. Auf dem Rückweg können wir noch beobachten wir ein kleines Schlepperboot sechs Containerschiffe durch die schmale Wasserstraße manövriert. Das ewig lange Gespann kommt entsprechend langsam voran, so dass wir es sogar noch mit unserem Boot einholen.
Die schiere Größe der Metropole spüren wir am Abend. Wir sind erneut mit Sebastian und Franzi verabredet. Gemeinsam wollen wir den Ratchada Train Markt erkunden. Zeigt Google für den Weg zur U-Bahn Haltestelle etwa 35 Minuten, benötigen wir eine knappe Stunde. Hitze und Verkehr lassen den Weg ewig weit erscheinen. Mit 20-minütiger Verspätung erreichen wir den vereinbarten Treffpunkt, der schlechter nicht gewählt sein könnte. Direkt am Eingang, wo sich Menschenmassen im Schneckentempo auf das Gelände schieben und wieder hinaus. Von den Beiden keine Spur. Wir versuchen unser Glück am Eingang, aber Dunkelheit, Belichtung und die Zahl an Menschen macht es unmöglich sie dort zu finden. Auch wenn man als mittelgroßer Europäer wie Dominik oder Sebastian schon aus der Masse heraussticht, keine Chance. Wo wir aber schon mal hier sind, wollen wir uns dennoch umschauen. Haben wir uns einmal aus dem Eingangsbereich und den chinesischen Touristengruppen, die mit ihren Fähnchen den kompletten Eingangsbereich verstopfen frei gekämpft, können wir uns sogar vorwärts fortbewegen. Die Stände sind bunt, die Läden an den Seiten gleichen hippen Länden aus der Heimat und im hinteren Bereich kann man sogar wieder atmen. Als Teilzeitvegetarier sind die Restaurants aber leider schwer zu ertragen. Ist es ohnehin unerwartet schwer fleischfrei zu essen, stapeln sie hier Rippchen in Türmen auf die Teller, es wird ein Krokodil wie ein Spannferkel gegrillt oder sie schütten die Meeresdelikatessen einfach auf Papierunterlagen auf einem Tisch aus. Gerade verlassene Plätze sehen ohne Übertreibung aus, als ob jemand eine Biotonne über diesem Tisch entleert hat.

Das Glück ist mit den Dummen. Nachdem wir auf einen appetitlicheren Gang einbiegen, entdecken wir die beiden Verschollenen. Sie waren ebenfalls zu spät und hatten denselben Einfall wie wir. Nun hat es doch noch funktioniert. Wir benötigen ein Weilchen, bis wir ein Restaurant finden, das nicht nur Meerestiere serviert. Das Essen ist ok, wenngleich wir allesamt anhand unseres Gerichts feststellen, dass Thais auf Knoblauch stehen. Satt bummeln wir über den Markt bis sich später unsere Wege trennen. Die Beiden fliegen morgen zurück in die Heimat, für uns geht es weiter gen Norden.