Nur mühsam erreichen wir unsere Unterkunft in Kandy. Die Straßen sind voll, die Schule scheint gerade aus und die muslimische Bevölkerung ist laut unserem Fahrer auf dem Weg in die Moschee. Als wir endlich in unsere Seitenstraße biegen, verflucht unser Fahrer mal wieder Jasmins Vorliebe für eine Unterkunft mit guter Aussicht. Es geht wieder steil einen Hügel hinauf, das TukTuk kämpft, die Hausnummern sind schwer zu erkennen, aber unserer Gastgeber erwartet uns schon an der Tür. Ein freundlicherer älterer Herr, der wirklich gutes Englisch spricht und mit einem neuen Apartmenthaus das beste Preis-Leistungs-Zimmer unserer Reise anbietet.

Unser letzter Gastgeber John hat uns, neben einem kleinen enthusiastischen Monolog, dessen Resultat ein klares Abraten von Kandy als Reiseziel war, einige kulinarische Tipps für dieselbe Stadt mitgegeben. So testen wir bereits am ersten Abend eine seiner Empfehlungen, das indische Restaurant „Balaji Dosai“. Serviert werden hauptsächlich indische Dosa in verschiedenen Varianten mit drei Saucen, inklusive Curry natürlich. Es gibt eine offene Küche, der Jasmin lieber keinen zweiten Blick schenkt. Sauber ist anders. Der Kellner bittet uns Platz zu nehmen, und fragt Jasmin nur durch ein Zwinkern, ob sie lieber mit Besteck, statt mit den Fingern essen möchte. Möchte sie, ein Essen mit Käse zu bestellen war für sie heute mutig genug. Die Dosa sind wirklich lecker, super günstig und produzieren dank Anrichten auf Platten keinerlei Müll. Auch wenn Johns Restaurant Tipp in jedem guten Reiseführer zu finden ist, können auch wir ein Essen dort nur klar empfehlen.

Mit gefühltem Magen erkunden wir anschließend Kandy. Wir schlendern am Kandy See entlang, obwohl eine gemütliche Spaziergeh-Stimmung nicht so recht aufkommen möchte. Der See riecht muffig, die ursprüngliche Farbe des Gehweges lässt sich, dank Tauben- und Entenkot nur noch erahnen, über uns kreischen die Vögel. Schön ist anders. Direkt neben dem Kandy See liegt der berühmte Zahntempel. Dieser erlangte Berühmtheit, da dort einer von Buddhas Zähnen ausgestellt sein soll. Sein soll, weil dieser in einer nicht einsehbaren Holz-Box liegt. Es gibt Gerüchte, dass die Portugiesen den Zahn schon im 16. Jahrhundert mit in die Heimat genommen oder sogar zerstört haben. Da der Tempel aussieht wie alle anderen auch, auf Grund der Box allerdings stattliche 15 Euro Eintritt kostet, ist dieser Punkt von unserer Sightseeing-Tour gestrichen. Wir folgen einer weiteren Empfehlung Johns und besuchen eine Rooftop-Bar mit Backpacker Klientel. Zeitlich passend zum Sonnenuntergang genießen wir bei einem kühlen Lion-Bier und einer Sprite einen wunderbaren Blick auf die Stadt mit darüber kreisenden Fledermäusen.

Der Blick von unserer Terrasse aus ist ebenfalls sehr schön. Wir wollen noch nicht ins Bett und so erfreuen wir uns an den angenehmen Temperaturen bei einem Kartenspiel auf der Terrasse. Gerade begonnen entdeckt uns unser Gastgeber und verwickelt uns in ein Gespräch. Er erzählt uns viel über Land, Leute und seine Familie. Seine Söhne leben in New York und Melbourne. Beide hat er bereits besucht, auch er scheint das Reisen zu lieben. Er fragt uns nach unseren Berufen und erstmals erzählen wir auf Sri Lanka von unserer Weltreise. Aber auch er ist fassungslos, dass wir so lange unterwegs sind, ganz ohne Einkommen. Er bietet uns direkt eine gratis Wäsche an. Wir lehnen verlegen ab und fühlen uns schlecht, sonst erzählen wir immer das wir wieder nach Hause fahren.

Dominiks Bewegungsdrang übertrifft Jasmins und so startet er am nächsten Morgen allein zu einem kleinen Spaziergang zum Bahiravokanda Vihara Buddha hinauf, eine der größten Buddha Statuen des Landes. Die Aussicht auf Kandy soll von der 27m hohen Anlage hervorragend sein. Leider ist der Weg ganz nach oben gesperrt. Die übrige Anlage ist nichts Besonderes. Nur die dauernde Aufforderung zum Spenden ist schon fast penetrant, ein Spendenbüro setzt dem die Krone auf. Demjenigen, der dort Geld spendet, wird über ein Mikrofon über die gesamte Anlage gedankt. Touristen warten vor dem Büro mit der Kamera darauf, dass ihr Name ausgerufen wird. Ganz großes Kino. Jeden Tag ab 16:30 wird live per Lautsprecher von dort übertragen. Unser Haus liegt hervorragend, um keine Minute davon zu verpassen. An unserem ersten Tag lauschen wir einer Predigt in Pali, am zweiten Tag folgt der stundenlange Gesang des scheinbar immer gleichen Satzes, am dritten Tag wird der Gesang mit Trommeln untermalt, am letzten Tag darf offensichtlich auch die Menschenmasse in den Gesang mit einstimmen. Laut unserem Gastgeber der normale Wahnsinn eben in der Woche um Neujahr und das obwohl Buddhisten auf Sri Lanka ihr Neujahr nicht wie wir kalendarisch, sondern erst Mitte April feiern.
Mit Kandy selbst werden wir nicht so recht warm. Wir hätten uns irgendwie mehr Flair erhofft, aber selbst ein Restaurant zu finden ist ungewöhnlich schwer. Kandy ist lediglich ein netter Zwischenstopp, um die ewige Fahrt ins Hochland zu überbrücken. Mangels Alternativen entstammt unser Abendessen am zweiten Abend einem Food Court. Chinesische Suppe, indisches Spinatcurry und eine nicht scharfe Pasta Arrabiata garantieren ein Reis & Curry freies Abendbrot. Wie es bei der Arrabiata Sauce zu Bewertungen, wie „besser als in Italien“ kommen kann, bleibt fraglich.
Das wir Kandy wenig abgewinnen können hat jedoch auch seine guten Seiten. Haben wir es nicht geschafft die Teefabrik in Ella zu besuchen, bemüht sich unser Gastgeber sehr es in Kandy zu realisieren. Er organisiert uns ein günstiges TukTuk, welches uns zur Fabrik bringen soll. Das TukTuk ist von vornherein zu günstig. Keiner von uns Beiden denkt trotz gelesener Warnhinweise auch nur eine Sekunde darüber nach und so werden wir am frühen Morgen pünktlich abgeholt. Der TukTuk Fahrer drückt uns direkt voller Stolz einen bereits ziemlich mitgenommenen Taschenkalender in die Hand – der Tripadvisor der Vergangenheit. Wir sollen lesen! Die sachlichen Bewertungen anderer deutscher Touristen hätten uns stutzig machen sollen. Nach einigen Minuten Fahrt tuckern wir mitten in der Stadt auf einen Hof. Von Teeplantagen nichts zu sehen. Wir werden von einer jungen Dame begrüßt, die uns in die Welt des Tees einführt. Ihre Tour startet bei den drei Teepflanzen im staubigen Vorgarten. Sie zeigt uns die Bänder, auf denen der frische Tee getrocknet wird, die Maschinen, die diesen mahlen, die unterschiedlichen Qualitäten und die Damen, die diesen mit Hilfe von Bändern sortieren. Eine der Maschinen ist bereits 130 Jahre in Betrieb. Abgeschrieben ist diese wohl mehrfach. Jasmin ist unserer Führerin offensichtlich zu sehr mit dem Fotografieren abgelenkt. Nach jeder Station wird sie streng gefragt, ob sie alles verstanden hat. „Is it clear, Mam?“. Sie nickt eifrig. Beim Wechseln der Etagen werden wir wieder nach unseren Berufen gefragt, eine Frag die Singhalesen offensichtlich schwer beschäftigt. Bevor wir antworten können legt die Dame sich bei Jasmin auf Doktor oder Lehrerin fest. Als Begründung führt sie Jasmins Aussehen an. Aus deutscher Sicht gehen Komplimente aber anders.
Highlight der Führung ist allerdings nicht die Tour, sondern die anschließende Verkostung. Zum Probieren erhalten wir fünf verschiedene Schwarztee Sorten, einen grünen, einen teuren goldenen und einen noch teureren weißen Tee. Wobei Letztere nicht nur farblich, sondern auch geschmacklich wässriger nicht sein könnten. Der schwarze Tee hat es uns angetan. Er ist nach seiner Intensität auf dem Tablett sortiert. Die ersten drei Varianten werden in Europa getrunken, der Vierte im Nahen Osten und der fünfte auf Sri Lanka und England. Der starke Schwarztee ist kaum zu trinken, ohne das Gesicht zu verziehen. Schon ein kleiner Tropfen auf dem Teelöffel genügt zum Augen aufreißen. Kein Wunder, dass Tee hierzulande mit Milch gestreckt wird. Unser Geschmack entspricht der europäischen Norm. Wir favorisieren Variante zwei und drei.
Ist die Führung kostenfrei, hat man hier aber auch nichts dagegen, wenn die Besucher etwas Tee als Andenken mitnehmen. Aus der Verkostung wird eine Tee-Tupperwaren-Party. Wir schnüffeln an vielen weiteren Sorten Früchtetee, die nahezu alle unfassbar gut riechen. Tatsächlich ist dies ein schönes Mitbringsel, die Backpacks bieten jedoch nur wenig Platz. Die Dame der Teefabrik möchte das einfach nicht glauben. Würde doch eine kleine Packung von dem weißen Tee für zarte 50 Euro in den Rucksack sicher noch reinpassen. Uns gelingt es die Fabrik mit nur einer statt aus dem Sonderangebot zwei Packungen unseres favorisierten Schwarztees zu verlassen.

Trotz Verkaufscharakter hat uns die Tour gefallen. Düfte, Sorten und Maschinen haben zumindest ein wenig Atmosphäre vermittelt. Wir sind zufrieden. Unser Fahrer hat jedoch noch ein weiteres Ziel im Auge. Einen „Spicy Garden“. Wir zucken mit den Schultern, warum auch nicht. Ein paar Gewürze für zuhause wären doch ganz nett. Dort werden wir von einem jungen Herrn begrüßt, der ein wenig Deutsch spricht und uns durch einen kleinen eingezäunten Garten führt. Er zeigt uns allerlei Pflanzen und erklärt uns deren Wirkstoffe. Dank unserer TukTuk-Fahrt nach Udawalave können wir teilweise sogar mit Vorwissen glänzen. Zu unserer Überraschung zeigt er uns aber nicht wie erhofft Curry, Zimt, Koriander etc., sondern zaubert an jeder Station eine andere Tube aus dem Versteck. Dort stehen jeweils ein Fläschchen Seife, Creme, Lotion, Öl und weitere Naturkosmetika.
Absurd wird es, als wir den Pflanzenbereich verlassen. Er führt uns in den hinteren Teil des Gartens, an mehreren kleinen Kabinen vorbei, in denen jeweils Leute sitzen, die massiert werden. Wir schauen uns ein wenig skeptisch an, folgen ihm jedoch. Wir dürfen Platz auf einer Holzbank nehmen, er erklärt uns das dies seine Schule ist, überreicht uns einen Zettel, der alle eben gesehenen Produkte listet und erklärt uns nochmals deren Vorzüge und Kombinationsmöglichkeiten. Mit dem in die Hand gedrückten Bleistift dürfen wir Anmerkungen vornehmen. Wir lauschen gespannt was als nächstes kommt und ehe wir uns versehen haben wir schon Schönheitscreme im Gesicht, die mehr oder wenig sanft einmassiert wird. Jasmins Sonnenbrand vom Vortag spielt dabei keine Rolle, die Hände haben sich die Herren auch nicht gewaschen, denn zum Produkte auftragen, sind sie ganz plötzlich zu zweit. Völlig überrumpelt starrt Jasmin den Zettel an und schaut Dominik bei seiner „Gesichtsmassage“ zu. Das Vermeiden von Lachkrämpfen wird auf Sri Lanka wirklich hart auf die Probe gestellt. Im Hintergrund ist die Stimme unseres „Lehrers“ zu hören, das hier wäre seine Schule und er ist der Lehrer. Jasmin lehnt die Haarkur gegen Haarausfall ab. Lieber schaut sie sich das Ergebnis auf Dominiks Kopf an, kann sie doch so viel besser beurteilen, ob die Tinktur wirklich keine fettigen Haare hinterlässt. Sie glänzen. Naja. Nach der unsanften Gesichtsbehandlung lehnen wir die Nackenmassage dankend ab. Zu viele Kombinationsmöglichkeiten der Tinkturen werden in diesem Zusammenhang genannt. Der Rest der Unterrichtsstunde vergeht ganz schnell. Plötzlich werden die Namen der übrigen 15 Produkte nur noch vorgelesen. Praxisdemonstration abgebrochen. Da man die tollen Kosmetikartikel in der Schule nicht kaufen darf, sondern nur in der „Apotheke“, die nach seiner wilden Gestik auf der anderen Straßenseite zu liegen scheint, werden wir nun dort hingeführt.
Die Apotheke befindet sich direkt über den Schulkabinen. Schneller als erwartet stehen wir im kleinen Shop, der sämtliche Fläschchen mit Etiketten aus dem Tintenstrahldrucker enthält. Unter strenger Beobachtung dürfen wir uns nun etwas aussuchen. Ein kurzer Blickaustausch genügt, wir sind hier fertig. Mit weniger Begeisterung als bei unserem Empfang werden wir zu unserem TukTuk Fahrer zurückgebracht. Ein kurzer Austausch zwischen den Herren bringt uns auch einen deutlich weniger enthusiastischen Fahrer auf dem Rückweg ein. Wir ärgern uns über diese Kaffeefahrt. Sri Lanka hat so viel mehr zu bieten, warum muss so Geld verdient werden? Die Grundidee des Spicy Gardens ist sogar ganz nett, aber die Umsetzung erschreckend.
Aufheiterung gibt es am Abend dafür reichlich. Kaisu, unsere in Unawatuna liebgewonnene Finnin hat es inzwischen ebenfalls nach Kandy geschafft. Bei Kottu und kühlen Getränken sitzen wir zusammen. Hat es wieder einige Anläufe gebraucht ein Restaurant zu finden, sind wir in dem vermutlich dreckigsten Imbiss unserer Reise gelandet. Jasmin hat die schlechtere Sitzwahl getroffen. Sie sieht zu viel von Küche und versifften Trinkwasserspendern. Das Essen ist wie immer gut, die Einheimischen kommen in Scharen, wir zahlen am Ende 5 Euro für drei Personen inklusive Getränke. Während des Essens berichten wir von unseren jeweiligen Erfahrungen und lachen herzlich. Am Ende kommen wir zum gleichen Fazit. Sri Lanka ist ein tolles Reiseland, aber nach über zwei Wochen genügt es. Auch Kaisu berichtet von teils katastrophalen Unterkünften und einer Nacht mit Handtuch als Decke, von nervigen TukTuk-Fahren, die sie trotz steuern eines Motorrollers mit dem TukTuk mitnehmen wollten, die alle nach Google Maps fragen, aber selbst nie eine Karte lesen können oder an Bauruinen absetzen und dies als ihr gebuchtes Hotel bezeichnen. Aber auch sie berichtet von netten, stets lächelnden Einheimischen und deren Gastfreundschaft, wilden Tieren und schönen Landschaften. Einen schöneren Ausklang für unsere Sri Lanka Reise hätten wir uns gar nicht wünschen können.
Ganz zu Ende ist die Zeit auf der Insel an diesem Abend noch nicht. Morgens in der Früh geht es noch einmal zurück nach Negombo. Kaisu hat das gleiche Ziel und so verabreden wir uns am Bahnhof. Unser TukTuk wurde von unserem Gastgeber bereits zu 5:00 Uhr bestellt. Ab 05:30 gibt es angeblich Tickets, um 05:10 Uhr stehen wir bereits in der Schlange, die Sitzplatztickets sind ausverkauft. Auf sieben Stunden stehen haben wir keine Lust. Wir teilen uns also ein Taxi, dessen Fahrer nicht so Recht versteht, dass in Negombo zwei verschiedene Orte angefahren werden sollen. Abwechselnd telefoniert er mit beiden Gastgebern. Wir vermuten, dass mindestens eines der beiden Zimmer mittlerweile von ihm storniert wurde. Nett ist er dennoch, bietet er uns sogar noch einen Zwischenstopp in einem weiteren Spica Garden an – es gibt tatsächlich mehr als einen davon auf der Insel. Wir lehnen dankend ab. Den Tag verbringen wir bei Perera, unserem ersten Gastgeber, ein wenig Sport und gutes Essen füllt unsere letzten Stunden.
Und dann sind 18 Tage plötzlich rum. Sri Lanka ist ein großartiges Reiseland. Wunderschöne Strände, beeindruckendes Hochland, gute Infrastruktur und leckeres Essen. Die Einheimischen sind super freundlich, wenngleich ihre überengagierte Gastfreundschaft durch Rückfragen einige Missverständnisse hätte vermeiden können. Der Service am Gast steht im Fokus, dann lieber falsch ist die Devise. Ebenso verwundert hat uns die scheinbar große politische Bedeutung der kleinen Insel. Die Amerikaner wollen laut Einwohnern einen Stützpunk errichten, um von dort den asiatischen Luftraum besser im Auge zu behalten. Dafür bauen sie sogar einen Highway von Ost nach West durch das gesamte Land. Die Chinesen schütten eine Landfläche an der Küste Colombos auf. Dort sollen Hotels, Vergnügungsparks und Wolkenkratzer errichtet werden, gar eigene Gesetze sollen auf der Kunstinsel herrschen. Bleibt nur zu hoffen, dass dieses in den letzten Jahren so gebeutelte Land nicht zum Spielball der Großmächte wird, von weiteren Anschlägen, Naturkatastrophen und Kriegen verschont bleibt und sich in den nächsten Jahren gut entwickelt. Wir werden irgendwann sicher wiederkommen, um uns davon zu überzeugen.