#44 Odyssee nach Digana

Mit gepackten Rucksäcken stehen wir auf der Veranda und warten auf unser bestelltes TukTuk. Sind wir sonst ohne Zeitnot unterwegs, möchten wir heute ungern unseren Zug verpassen. Es ist unsere erste Zugfahrt auf Sri Lanka. Unzählige Reiseblogs, berichten darüber und machen aus dem Ticketkauf eher eine Wissenschaft. Wir tippeln ein wenig nervös von links nach rechts. Kurz nochmal bei unserem Gastgeber rückversichert, ob es wirklich bestellt wurde. Irgendwie sind wir doch typisch deutsch. Gerade als uns unser Gastgeber schreibt, dass das TukTuk eigentlich kommen müsste, können wir den dröhnenden Zweitaktmotor hören. Nun aber schnell. Notdürftig quetschen wir die Rucksäcke und uns auf die Rückbank und brausen los. Auch der Fahrer scheint die Uhr im Blick zu haben, denn auf der „crazy road“ folgt ein „crazy ride“. Die Hinfahrt im Taxi war nichts dagegen. Auch unser Gastgeber scheint erleichtert, dass wir den Bahnhof noch rechtzeitig erreichen. Er bedankt sich per WhatsApp für unseren Aufenthalt mit einem Herzchen <3. Es bleibt bis zum Ende merkwürdig.

Der Bahnhof von Ella ist relativ übersichtlich. Lediglich zwei Schalter sind geöffnet, an denen Tickets erworben werden können. Natürlich kann man nicht an jedem Schalter jedes Ticket kaufen. So wird unsere erste Anfrage nach einem Ticket abgelehnt, da die zweite Klasse bereits ausverkauft ist, die der Dritten gibt es nur am anderen Schalter. Erneut stellen wir uns an. Wir bekommen nicht nur ein Ticket, sondern auch einen Sitzplatz in dritten Klasse. Für die etwa 6 stündige Fahrt zahlen wir 400 Rupien, etwa 2 Euro, pro Person. Den Bahnsteig betreten wir pünktlich, da der Zug zum Glück ein paar Minuten verspätet ist, haben wir noch Zeit kurz durchzuatmen und noch einmal die Bahnhofstoilette zu nutzen. Sauberer wird es im Zug wohl nicht, da schaukelt es nur noch mehr. Kurz orientiert, wir haben den vordersten Wagon, der sollte leicht zu finden sein.

Nach ein wenig Gedränge sind die Sitzplätze gefunden und das Gepäck verstaut. Unter großem Quietschen und Gepolter hat sich der Zug bereits in Bewegung gesetzt. Als Dominik sich schließlich zu Jasmin gesellt, haben wir unsere letzte Unterkunft und den Wasserfall bereits passiert und eine wunderbare Aussicht auf Ella. Die Bahnstrecke von Ella nach Kandy führt fast die gesamte Strecke durch das Hochland Sri Lankas und gilt als eine der absoluten Sehenswürdigkeiten des Landes.

In der Tat macht es Spaß. Die Aussicht aus dem Zug ist unfassbar schön. Gefühlt fahren wir die ersten Stunden die Gebirgspässe entlang und oft können wir uns gar nicht entscheiden, ob wir links oder rechts hinausschauen möchten. Teeplantagen, Täler, winkende Menschen am Straßenrand. Auf Bilderbuchmotive folgen weitere Bilderbuchmotive. Mit 20km/h ruckeln wir gemütlich durch die Landschaft. Gestört werden diese lediglich dann und wann von unseren gegenübersitzenden Mitfahrern. Eine Amerikanerin und eine Singhalesin, offenbar ein junges Paar, sind ebenfalls von der Landschaft begeistert. Sie versuchen jeden Moment mit ihrem unnötig großen Objektiv zu dokumentieren. Es gibt nur wenig Momente ohne Klicken. Sei es drum.

Hin und wieder laufen einheimische Händler durch den Zug, die unsere inzwischen liebgewonnen Buns verkaufen. Buns sind hier eine Art Brötchen, gefüllt mit einer würzigen Kartoffelpaste. Das Essen ist warm, unsere Zusammenstellung lecker und das alles ohne Zugaufpreis.

Mit zunehmender Fahrtdauer sinkt jedoch zugegebenermaßen auch der Spaß. Nach etwa 5 Stunden, wollen wir einfach nur noch ankommen. Unsere Sitzbank ist inzwischen voll, Beine ausstrecken ist keine Option mehr und auch einer unserer Rucksäcke fährt wechselweise mal bei Jasmin, mal bei Dominik auf dem Schoß mit. Ablenkung ist kaum möglich, schaukelt der Zug zu stark zum Lesen und ist zu laut, um Musik oder ein Hörbuch zu hören. So zählen wir am Ende nur noch die Minuten, bis wir im Bahnhof von Kandy einfahren.

Etwas später als geplant erreichen wir den Bahnhof. Endlich können wir unsere inzwischen schmerzenden Gliedmaßen ein wenig strecken. Der Schmerz ist schnell vergessen, zu schön war die Fahrt. Beim nächsten Mal würden wir uns nur für eine etwas kürzere Strecke entscheiden und niemals ohne Sitzplatz fahren, zu groß war das Gedränge in der dritten Klasse.

Wie so oft sind die anstrengenden Fahrtage auch die Tage, an denen die Unterkunftssuche nicht reibungslos klappt. Diesmal haben wir unsere Unterkunft über Airbnb gebucht und nicht wie bisher über Booking. Dominik hat kein Screenshot gemacht, das Wifi am Bahnhof streikt und die dortigen Angestellten sind keine Hilfe. Mit Händen und Füßen versuchen wir TukTuk Fahrern unser Problem verständlich zu machen. Irgendwie scheint hier niemand Roaming zu haben, aber die Einheimischen wissen sich wie immer auch etwas unkonventioneller zu helfen. Einer der Fahrer bringt uns zu einem Telefonshop. Direkt lehnen wir vehement ab. Wir wollen keine neue SIM-Karte kaufen. Er schüttelt den Kopf. Wir dürfen das dortige Wifi nutzen, um mit unserem Gastgeber Kontakt aufzunehmen und die Adresse herauszufinden. Wir finden eine Telefonnummer. Der TukTuk Fahrer wählt, begrüßt auf Singhalesisch und hält Jasmin das Telefon hin. „It is an English man.“ Die Verwirrung bleibt auch nach dem Telefonat bestehen. Offenbar gibt es beim Golfresort nur eine Straße. Zumindest für unseren TukTuk Fahrer hat sich der extra Aufwand schon gelohnt. Er reist die Augen auf, als wir ihm die Adresse nennen. Wir müssen einen ganzen Ort weiter. Wir sind selbst überrascht. Was haben wir uns bei der Buchung nur gedacht.

Nach weiteren 40 Minuten TukTuk Fahrt erreichen wir das Golf Ressort. So einfach wird es offensichtlich nicht das Haus zu finden. Vor uns taucht eine Schranke mit vier Wachmännern auf. Das hätte unser Gastgeber John vielleicht erwähnen sollen. Irritiert schauen wir die Wachmänner an und zeigen ihnen unsere Buchung. Nach wilden Diskussionen mit den Pförtnern hilft schließlich Dominiks Einwand, dass unser Gastgeber John heißt. Auf den untypischen Namen folgt der gesammelte Aufschrei „Engländer???“. Sofort wissen sie welches Haus unseres ist und zwei Minuten später stehen wir tatsächlich in der Einfahrt. Unsere gebuchte Unterkunft liegt nicht in der Nähe des Golfplatzes, sondern auf dem Platz. Eine junge Dame nimmt uns in Empfang. John hat am Telefon erzählt, dass er erst am nächsten Tag ankommen wird. Seine „Freunde“ werden sich um uns kümmern. Wir fragen die Dame drei Mal, ob wir wirklich richtig sind. Erleichtert und voller Hoffnung auf eine Dusche und ein bequemes Bett, können wir es kaum erwarten, in unser Zimmer zu kommen. Leider hat der TukTuk Fahrer in uns das perfekte Geschäft gefunden. Er drängt uns seine Telefonnummer auf, zeigt uns den Chatverlauf mit einer Deutschen und versucht darüber zu punkten. Er will einfach nicht verstehen, dass wir die Strecke zwischen Golf Ressort und der Stadt Kandy nicht jeden Tag pendeln, sondern hier einfach nur ausspannen wollen, denn das war auch der Grund für diese absurde Buchung.