Schon während unserer Safari konnten wir die Berge des singalesischen Hochlandes bewundern. Nun bringt uns das Taxi genau dort hin. Unser nächstes Ziel ist die Stadt Ella in 1000 m Höhe. Eine Zugverbindung von Udawalawe aus gibt es nicht. Noch vor einer Woche, als wir in Colombo landeten, war nicht klar, ob wir bis hierher reisen würden. Starke Regenfälle machten der Region in den letzten Wochen zu schaffen. Die steilen Hänge verursachen immer wieder Schlamm- und Gerölllawinen, die die Straße unpassierbar gestalten. Glücklicherweise ist der Regen in den letzten Tagen ausgeblieben. Als wir mit unserem Taxi die steile Serpentine hinauffahren, passieren wir einige Schlammlawinen, Aufräumarbeiten und bedrohlich dicht am Hang stehende Häuschen.
Unsere Unterkunft liegt ein wenig außerhalb der Stadt, dafür mit Blick ins Grüne. Als wir unserem Fahrer die Adresse nennen, lacht er und sagt: „That´s a crazy road“. Das ist sie in der Tat. 15 Minuten lang fahren wir über eine enge, holprige Erdstraße, die wellenförmig den Berg hinauf und hinunter verläuft. Jasmin hält den Atem an. Spätestens jetzt ist Dominik froh, nicht mit einem TukTuk unterwegs zu sein. Bereits in Unawatuna haben wir einen Familienvater gesehen, der half ein TukTuk einen Berg hinaufzuschieben. Als wir vor dem letzten Anstieg dem Fahrer anbieten, uns in der Senke abzusetzen und den Rest zu laufen, bedankt er sich sichtlich erleichtert.

Wenige Minuten später ist die holprige Fahrt aber schon vergessen, das Zimmer ist super gemütlich, sauber und der Ausblick ist der Wahnsinn. Wir schauen direkt auf den Ravana Wasserfall und das davor liegende satte grüne Tal. Schnell schlüpfen wir in bequeme Kleidung und festes Schuhwerk. Der Wasserfall scheint nicht weit und hervorragend als erstes kleines Ausflugsziel geeignet zu sein. Gerade als wir die Einfahrt hinunterlaufen wollen, fängt uns die Gastgeberin ab. Wild wird diskutiert. Sie und vermutlich ihre Mutter, wollen unbedingt, dass wir die Abkürzung hinterm Haus nehmen. Wir haben das Gefühl nicht ablehnen zu dürfen. Ehe wir uns versehen, hängen wir an einem steilen Hang, ohne Stufen oder Griffmöglichkeiten. Mit jedem Schritt lösen wir kleine Gerölllawinen aus. „Bupp, Bupp, Bupp, Klong.“ Die Steine rollen den Hang hinunter, treffen den am „Weg“ angrenzenden Wassertank und seine Versorgungsrohre bedrohlich. Hoffentlich können wir bei unserer Rückkehr noch duschen. Einige Flüche später sind endlich die Gleise in Sicht, denn der kürzeste Weg führt hier an den Schienen entlang. Auf Sri Lanka vielerorts ein völlig normaler Weg, um schnellstmöglich sein Ziel zu erreichen. Am einfachsten läuft es sich auf den Balken, auf denen die Schienen liegen und so tippeln wir die Gleise entlang in Richtung Wasserfall, immer ein Auge für eine Lücke am Rand, sollte doch ein Zug am Horizont auftauchen.

Kurz vor einer Brücke verlassen wir die Gleise. Irgendwo hier soll der Aussichtpunkt zum Wasserfall sein, der Weg führt jedoch ausschließlich durch Gestrüpp. Der schmale, bewachsene Pfad lässt aufrechtes Weitergehen nur bedingt zu. An dieser Stelle endet Jasmins Abenteuerlust. Dominik kämpft sich allein weiter durch. Führt der Weg zwar zum Ziel, ist die imposante Erscheinung des 19m hohen Wasserfalls von diesem Aussichtspunkt nur zu erahnen. Viel mehr sieht es danach aus, als ob der Fluss einfach verschwindet, nur unter ohrenbetäubendem Getöse eben. Stellen wir sonst immer schmunzelnd fest, dass sich Weitergehen lohnt, werden wir hier das erste Mal enttäuscht. Manchmal muss man sich einfach geschlagen geben und so kehren wir um und genießen lieber die Aussicht auf den Wasserfall von unserem Häuschen aus.
Auch bei dieser Unterkunft kocht die Familie auf Anfrage für uns. Es ist immer schöner nach einem langen Tag ein Abendessen in seiner „Unterkunft auf Zeit“ zu genießen, besonders bei so einer Terrasse mit Ausblick. Der Sohn scheint mehr als einen Job zu haben, ist aber telefonisch immer für uns erreichbar und spricht am besten Englisch. Als wir ihn nach einem Abendessen fragen, antwortet er fröhlich: „Natürlich, gerne. Was haltet ihr von Reis und Curry?“ Zähneknirschend stimmen wir zu. Haben wir uns in das singhalesische Linsencurry verliebt, können wir es mittlerweile wirklich nicht mehr sehen. Aber wie so oft gibt es mehr als ein Schälchen. Das erste Mal auf unserer Reise, werden uns sogar drei Stückchen Huhn serviert. Das Essen ist gut, aber schon heute ist klar – morgen gibt es eine Currypause. Auch der Ausblick kann über den Curryüberfluss heute nicht hinweg trösten. Die Besitzer haben das Terrassenlicht angeschaltet. Die auf die Terrasse ausgerichteten Lichter mit der Leuchtintensität eines Bühnenscheinwerfers leuchten nicht nur so stark, dass alles andere im Umfeld schwarz erscheint, es zeigt auch sämtlichen Insekten den Weg zu ihrem heutigen Abendessen – uns.
Die Kombination aus angenehmen warmen Temperaturen und Hochland lädt am nächsten Tag geradewegs zu einer Wanderung auf den Little Adam´s Peak ein. Der Weg zum Gipfel führt an den, für diese Region typischen, Teeplantagen vorbei. Unser Gastgeber hat uns direkt noch die Nine Arch Bridge empfohlen, die mit einem überschaubaren Umweg zu erreichen ist und ein beliebtes Fotomotiv darstellt. Jasmin hat am Vorabend zu viel Chili genascht und verzichtet lieber auf diesen Ausflug. Beim Frühstück bittet sie die Gastgeber, ihren eigens importierten Magen-Darm-Tee in einer Kanne aufzugießen, Dominik bestellt einen Kaffee. Trotz mehrmaliger Erklärungsversuche sieht der Sohn ein wenig irritiert aus, geht aber mit „Ja, ja“ und dem Teebeutel in Richtung Küche. Wir sind uns sicher, niemals kommt der Teebeutel in einer großen Kanne mit heißem Wasser zurück. Der Tisch wird in der Zwischenzeit gedeckt, die üblichen lokalen Köstlichkeiten werden vor uns platziert und eine Kanne. Wieso nur eine? Der Farbe nach enthält sie Kaffee. Wo ist der Teebeutel hin? Dominik gießt sich Kaffee ein, Jasmin schaut skeptisch. Was schwimmt in dem Getränk? Unfassbar, sie haben tatsächlich den Teebeutel zerrissen und die Kräuter samt Kaffee in einer Kanne aufgebrüht. Die Kombination aus Süßholzwurzel, Fenchel, Anis und löslichem Kaffeepulver ist grauenvoll. Wir haben zum Glück einen eigenen Wasserkocher und so brühen wir heimlich erneut Kaffee und Tee auf – getrennt.

Dominik hat seine Wahl für die heutige Wanderung in der Hoffnung getroffen, große Touristenmassen umgehen zu können. Die ersten Meter lassen ihn in dem Glauben, bis er einen kleinen Parkplatz erreicht. Dort wird gerade eine französische Reisegruppe ausgekippt, TukTuk Fahrer fragen ihn wohin er möchte. Zum Berg natürlich. Dankend lehnt er die Fahrt ab. Die letzten Meter zum Gipfel erreicht man über eine Treppe, stets begleitet von weiteren Touristen. Die benachbarten Gipfel erfordern ein wenig mehr Kondition und selektieren dementsprechend die Besuchermasse. Hier lässt sich die Aussicht auch in Ruhe genießen.

Im Anschluss nimmt Dominik den empfohlenen Umweg zur Nine Arch Bridge. Dieser führt ihn einige hundert Meter durch den Dschungel, nur vereinzelt kommen ihm Wanderer entgegen, bis er die Brücke erreicht. Dort bewundern an jeder Ecke Touristen das Bauwerk, welches seinen wenig originellen Namen ihren neun bogenförmigen Säulen verdankt, die die Gleise über eine 90 Meter lange Schlucht führen. Nichtsdestotrotz ist es ein beeindruckendes Bild, der Ausflug lohnt sich.
Mit dem Sonnenuntergang am Abend endet nicht nur der Tag in Ella, sondern auch das Jahr 2019. Für uns ein aufregendes Jahr. Auflösung der Wohnung, Fertigstellung von Frieda, Start der lang ersehnten Reise und natürlich unsere Hochzeit. Selten waren wir so gerührt, haben so viel aufgegeben, aber uns auch noch nie so viele Wünsche erfüllt. Gemeinsam lassen wir die Momente Revue passieren und so abenteuerlich dann unser letztes Jahr auch war, so ruhig ist unsere Silvesternacht. Nach einem selbst zusammengestellten Drei-Gänge-Menü auf unserer Terrasse, liegen wir bereits im Bett, als das neue Jahrzehnt beginnt und am Himmel eine kleine Rakete platzt.