Der anhaltende Regen prasselt auf Friedas Dach. Bei durchschnittlichen Regenmengen wiegt ein das Tropfen normalerweise in den Schlaf. Bei diesen Wassermassen ist an Schlaf ohne Gehörschutz gar nicht mehr zu denken. Auf unserer Reise haben wir lediglich an zwei stärker befahrenen Übernachtungsplätzen mit Ohropax geschlafen. Jetzt geht es nicht mehr ohne. Nach der morgendlichen Besichtigung des Shelters von Angela und Torsten hat Petrus für uns jedoch ein Sonnenloch parat. Wir verlassen das Autocamp Blagaj umgehend und fahren nur wenige Minuten zum Darwisch Kloster.

Der Parkplatz der Anlage kostet immerhin 7 KM umgerechnet 3,50 Euro. Der weitere Weg zur Anlage gleicht einer Allee, nur statt Bäumen wird der Weg von Souvenirständen gesäumt. Da Juli uns begleitet, können wir das Kloster nicht von Innen besichtigen und genießen so einfach nur den Anblick. Das Kloster ist etwa 600 Jahre alt, besonders beeindruckt jedoch die Lage. Errichtet wurde es direkt neben der Buna-Quelle, umgeben von Karststeinklippen. Die hohen Felswände sorgten damals für ausreichend Schutz. Es war also ein perfekter Rückzugsort für die so genannten Sufi, die Anhänger der dort beheimaten muslimisch-asketischen Bruderschaft. Auf der anderen Seite der Klippen sprudelt das kristallklare Wasser der Buna-Quelle aus dem Kalkstein. Mit Sage und Schreibe 43.000 Litern Wasser pro Sekunde, ist dies die größte Quelle Bosniens und eine der Größten in Europa.
Wir wollen auf die andere Uferseite, um wenigstens das übliche Touristen Foto zu schießen. Dort wartet bereits ein junger Mann und möchte 2KM Wegzoll von uns haben. Ob Angestellter oder Freischaffender mit Zusatzverdienst ist schwer zu erkennen. Wir sind genervt. Auf den wenigen Metern wurden wir gefühlt an jeder Ecke zur Kasse gebeten. Wir bezahlen, schlendern die 500m bis zum Wasser, knipsen unser Foto und drehen um. Restaurants, Souvenirläden und Eintritte an jeder Ecke lassen die Magie des eigentlich schönen Ortes verpuffen.
Kaum setzen wir unsere Fahrt fort, zieht der Himmel auch schon wieder zu. Für die nächsten Tage ist keine Änderung in Sicht. Für uns kein Problem, der Weg nach Montenegro führt an der Vjetrenica Höhle vorbei. Der Parkplatz der Höhle wird unser heutiger Übernachtungsplatz. So können wir am nächsten Morgen vor unserer Weiterfahrt direkt an der ersten Höhlentour teilnehmen.

Der Weg dorthin ist jedoch abenteuerlich. Seitdem wir die EU verlassen haben, treffen wir nun das erste Mal auf die von uns bis dato gefürchteten Straßenverhältnisse. Mit moderater Geschwindigkeit rumpelt Frieda Richtung Höhle durch die karge und verkarste Landschaft des Dinarischen Gebirges. In die Irre navigieren ist eine von Jasmins Königsdisziplinen, führt hier jedoch zu halsbrecherischen Wendemanövern und unzufriedenem Aufheulen von Friedas Motor. Belohnt werden wir dafür mit dem schönsten Schlafplatz seit Wochen. Der im Tal hängende Regen auf der einen Seite, die durchbrechende Sonne auf der anderen Seite sorgen für einen fantastischen Blick. Aber auch ohne dieses Naturschauspiel ist die Aussicht umwerfend.
Nachdem Jasmin diesen Ort aus jeder erdenklichen Perspektive fotografiert hat, erkunden wir das kleine in den Hang gebaute Dorf. Es besteht aus gefühlten drei Straßen und einer Handvoll Wohnhäusern, einem Restaurant und der Höhle. Dementsprechend kurz ist unsere Erkundungstour. Wir liebäugeln mit dem Restaurant des Dorfes. Laut unserer Übernachtungsapp soll der Wirt einige Geschichten über den Ort erzählen können. Leider gibt es kein vegetarisches Gericht auf der Karte. Nach der Cevapcici Kur der letzten Tage, entscheiden wir uns für ein Abendessen in Frieda. Auf unserem Rückweg zum Bus, passt uns ein großer, sehr wacher Hund ab. Ein wirklich riesiger Zeitgenosse, gefärbt wie ein Wolf, aber so verspielt das er weder uns noch Juli auch nur für eine Sekunde in Panik versetzt. Dennoch bekommen wir direkt Hilfe aus dem Restaurant. Der Wirt schimpft mit dem Tier und schickt ihn fort. Keine Minute später ertönt aus der Ferne ein Rufen. Diesmal also kein Straßenhund, denn das scheint sein Besitzer zu sein. Aber Juli als Spielkameradin scheint viel verlockender. Sowohl Besitzer als auch Hund haben Durchhaltevermögen. 5 Minuten rufen, aber unveränderte Situation. Wir wollen es dem Besitzer ein wenig erleichtern und steigen in unseren Van. Bevor der Hund jedoch abdreht und endlich nach Hause zurückkehrt, markiert er noch schnell Frieda am Hinterrad. Die kleine Sau!

Die Nacht ist still, der Ausblick am nächsten Morgen nicht weniger fantastisch. Vor dem Frühstück drehen wir unsere übliche Morgenrunde mit Juli und schlendern die Straße am Berg entlang. Auf Höhe des Höhleneingangs parkt ein Auto ohne Kennzeichen. Wir lachen und schmunzeln über die lockere Einstellung der Bosnier. Plötzlich kommen drei merkwürdig anmutende und dunkel gekleidete Männer aus dem grünen, wilden Tal einen Schleichweg hinaufgestiegen. Wir grüßen freundlich. Sie schauen uns überrascht an. Einer murmelt etwas und sie steigen ins Auto ohne Kennzeichen. Die Situation ist seltsam. Wir drehen sofort um und verkriechen uns in unserem Bus. Erst als die Luft rein ist, nutzen wir die Baumstammhöcker und den Tisch in unserer Parkbucht für ein ausgedehntes Frühstück. Was für ein Morgen!
Um 10:00 Uhr startet die erste Höhlenführung. Wir tragen sämtliche Kleidungsschichten auf, die wir besitzen, denn in der Höhle soll es kalt sein. Leicht verschwitzt von der Anziehorgie kommen wir am Empfangshäuschen an. Es ist 10:06 Uhr, unser Auto ist das Einzige. Voller Vorfreude auf eine Privattour wollen wir zwei Tickets kaufen, mürrisch begrüßt uns der Angestellt. Das ist neu, sind wir doch in Bosnien & Herzegowina sonst immer mit einem Lächeln empfangen worden. Er entgegnet uns, dass wir mit dem Ticketkauf noch warten sollen, die nächste Tour würde um 11:00 Uhr starten, vielleicht verändert sich der Preis, wenn noch mehr Teilnehmer kommen. Wir sind sprachlos. Dachten wir doch bislang, dass die Deutschen das pünktlichste Volk wären, nimmt man es hier aber sehr genau.
Also zurück zum Auto, alle Kleidungsschichten wieder aus, keine 30 Minuten später, alle Schichten wieder an und erneut zum Tickethäuschen. Überraschung, wir sind die Einzigen. Der Mitarbeiter ist genauso unfreundlich wie eben. Auf unsere Liste der schlechtesten Führungen könnte er dem Zoowärter im Aquarium von Alesund und unserer selbst verschuldeten Schlosstour auf slowakisch den Rang ablaufen. Bereits in den Rezessionen der Führung steht, dass dort zwei sehr freundliche Guides und ein Griesgram arbeiten. Volltreffer.

Wir erhalten Windjacke und Helm und betreten wenig später die Vjetrenica, die übersetzt „Wind Höhle“ heißt. Wenn wir unseren Guide richtig verstanden haben, können durch die Kanäle im Höhleninneren im Sommer Windstärken von bis zu 15 km/h auftreten. Als die ersten Meter des 7km langen, begehbaren Teils der Höhle passiert sind, weitet sich der Weg schlagartig. Das schön, aber dezent ausgeleuchtete Höhlensystem, schlängelt sich durch das Bergesinnere. An beiden Seiten steht durch die letzten Regentage das Wasser in zahlreichen badewannenartigen Becken. Ein traumhafter Anblick, wäre da nicht unser reizender Guide.
Seine Monotonie und fehlende Empathie könnten auch der größten Schnulze seinen Kitsch nehmen. Gleichgültig spult er seine Informationen von Funden aus der Steinzeit, prähistorischen Panthern und Bären und der Erforschung der übrigen Kanäle des Systems wie einen Fließtext herunter. Unsere „Ohs“ und „Ahs“ ignoriert er, Nachfragen bringen ihn aus dem Konzept und scheinen seiner Ansicht nach auch völlig Unangemessen zu sein. Das Ganze gewinnt nur noch an Absurdität, durch seine Art der Fortbewegung. Er absolviert die Tour komplett rückwärtsgehend! Er muss sich nicht umschauen, läuft den geschlängelten Weg der stetig auch an Höhe verliert und gewinnt, ohne zu stolpern, aber alles andere als geschmeidig. Noch nie war eine Tour so merkwürdig.
Als wir am Endpunkt der Tour das Glück haben einen weißen Salamander zu sehen, taut er tatsächlich auf. Er gibt sich alle Mühe uns das ca. 15-jährige, Teenager Weibchen der Gattung zu zeigen. Die Tiere werden etwa 80 Jahre alt. Das Alter kann er an den noch leicht wahrnehmbaren Augen des Tierchens ableiten. Eigentlich leben die Salamander in tieferen Gefilden der Höhle, wo Besucher keinen Zutritt haben. Da die Höhle sich für den Status des Weltkulturerbes bei der UNESCO bewirbt, werden einige Exemplare für Touristen sichtbar in einen der kleinen Pools gesetzt. Unser Guide ärgert sich darüber, dass Menschen nur Dinge glauben, die sie sehen. Um den Weltkulturerbe Status zu erhalten müssen die Tiere aus ihren Verstecken geholt werden, sonst würde die Glaubhaftigkeit der Existenz dieser seltenen Gattung in Frage gestellt werden. Hier gewinnt er das erste und einzige Mal unsere Sympathie auf unserer Tour. Je weiter wir uns vom Salamander entfernen, je stärker kehrt der Griesgram zurück.
Das zugehörige Museum im Dorf besteht aus einem Raum. Mühevoll scheint man hier nach Ausstellungsstücken gesucht zu haben. Eine Dame sitzt hier trotz Nebensaison und bewacht diese. Freundlich zeigt sie uns einige Funde. Ähnlich wie das Dorf, ist das Museum schnell erkundet.
Mit dieser Station verlassen wir Bosnien & Herzegowina. Ein Land das uns trotz Erwartungen, mehr als überrascht und jede Liebeserklärung verdient hat. Noch lange werden wir von unseren Tagen und den Menschen in diesem Land schwärmen und hoffen innig, dass die nächsten Länder hier mithalten können. Montenegro ist unser nächstes Ziel. Unseren Recherchen nach verspricht es Vielseitigkeit, schöne Natur, Campen im Nationalpark und einige historische Orte. Wir sind im Abenteuergroove und können es kaum erwarten.