#30 Weltenbummler Stammtisch

Wenn man jeden Tag woanders übernachtet, könnte man meinen das dies zur Routine wird. Aber auch nach über vier Monaten mit Frieda, sind wir jedes Mal aufs Neue gespannt, welcher Schlafzimmerausblick uns heute geboten wird. Nicht immer ist der erste anvisierte Schlafplatz ein Treffer, daher versuchen wir stets im Hellen eine passende Übernachtungsgelegenheit zu finden. Da wir uns aber erst spät von Sarajevo lösen können, erreichen wir unser Autocamp in Blagaj erst im Dunkeln. Es regnet in Strömen, wir haben keine Lust noch einen Meter zu fahren, egal wie, wir schlafen hier.

Das Camp wirkt auf den ersten Blick verlassen. Wir halten mitten auf dem Gelände. Ein Gebäude oder Besitzer sind nicht in Sicht. Als Dominik aussteigen will, um die Rezeption zu suchen, kommt uns ein Auto entgegen und hält unweit von uns entfernt an. Der Fahrer steigt aus, spricht aber nicht mit uns, schaut uns an und wendet sich wieder ab. Seltsam. Er greift nach seinem Telefon und ruft jemanden an, steigt wieder in sein Auto und fährt. Verdutzt warten wir. Aus der Dunkelheit eilt uns ein Mann entgegen und freut sich offensichtlich sehr über unseren Besuch. Es ist der Besitzer und hier scheint jeder Wintergast zu zählen. Er bedankt sich dreimal bei uns, dass wir uns für sein Camp entschieden haben. Wir werden herumgeführt. Er zeigt uns die freien Flächen und Sanitäranlagen und lädt uns im Anschluss an die Bar ein. Aufgrund kleiner Sprachbarrieren lehnen wir zunächst ab, da wir denken er möchte uns das Essen in seinem Restaurant schmackhaft machen. Seinem enttäuschten Gesicht zu urteilen lehnt man Begrüßungsgetränke in diesem Camp nicht ab. Seiner Fahne nach hat er die Qualität vorab schon einmal getestet. Eigentlich ist es Abendbrotzeit und wir waren schon voller Vorfreude auf einen großen, selbstgekochten Pastatopf. Aber kneifen gilt nicht. Frieda abgestellt, schlüpfen wir in warme Sachen und schlendern zur Bar. Die Anziehsachen waren vielleicht noch nicht warm genug. Die Bar besteht aus einem Tresen, nicht mal vier Wänden, Kühlschränke sind Regenschutz und die vierte Wand zugleich, Tische, Stühle und große Schirme stehen unter freiem Himmel. Das Wetter ist bescheiden, es schüttet. Plätschernd läuft das Regenwasser von den Schirmen gemütlich auf den Thesen weiter über das Geschirr. Unser Gastgeber ist tiefenentspannt und bringt uns zwei trockene Kissen. Wir dürfen unsere Begrüßung frei wählen. Dominik entscheidet sich für Bier – mutig, Jasmin wählt in weiser Voraussicht Wasser. Sie weiß aus den Platzbewertungen, was zum Getränk gereicht wird. Unser Gastgeber quittierte das bestellte Bier mit einem freudigen Lächeln und fragt beim Wasser enttäuscht nach, ob es wirklich bloß ein Wasser sein soll. Die Getränke werden begleitet von einem riesigen Obstteller und einem Stückchen Kuchen. Schon wieder Kuchen! Aber alles schmeckt fantastisch, obwohl sich die einzelnen Bestandteile des Menüs nur bedingt gegenseitig abrunden. Verrückt, aber es ist gemütlich hier. Morgen Abend essen wir hier.

Wollten wir am nächsten Tag eigentlich mit dem Bus in die Nachbarstadt Mostar fahren, entscheiden wir uns aufgrund des Wetters spontan doch für die bequemere Variante. Wir fragen unseren Gastgeber nach einem Taxi und wie der Zufall es so will, steht direkt ein Mann bereit, der uns für einen fairen Festpreis in die Stadt fährt und auch wieder abholt. Der Fahrer spricht nur wenig Englisch, dennoch ist die 20-minütige Fahrt durchaus unterhaltsam. Standesgemäß wird dort natürlich noch im Taxi geraucht, in Lebensgefahr befinden wir uns während der Fahrt zum Glück aber nicht. Stattdessen versuchen wir verzweifelt das Bosnische Wort für Tschüss zu lernen und erfahren, dass auf dem lokalen Flughafen täglich nur ein Flieger startet. Wir haben ihn gesehen!

Die Altstadt Mostars ist wohl das Postkartenmotiv schlechthin in Bosnien und Herzegowina. In der Tat ist die Altstadt schön, bzw. lässt erahnen wie schön sie einmal war. Inzwischen laufen wir an unzähligen Souvenirläden entlang, die alle gleich aussehen. Die Architektur der Stadt ist zweigeteilt. Auf der einen Seite der Brücke sind die osmanischen Einflüsse erkennbar, auf der anderen Seite die kroatischen. Die „Stari Most“, die Brücke stellt die Verbindungen der beiden Stadtteile dar. Ihre Symbolkraft, ist umso stärker, da sie genau aus diesem Grund im Krieg im Jahr 1993 zerstört wurde. Unmittelbar nach dem Krieg, startete der Wiederaufbau. Da keine originalen Baupläne vorhanden waren, ersetzten Erinnerungen Einheimischer diese. Darüber hinaus ist die Brücke unter Reisenden für ihre einheimischen Brückenspringer bekannt. Besonders Mutige können dem nacheifern und selbst von der 19m hohen Brücke in die 13°C kalte Neretva springen. Der Spaß kostet für Gäste 25 Euro, Prellungen und sonstige Schmerzen gibt es inklusive. Angeblich existiert dieser Brauch schon seit der Erbauung im 16. Jahrhundert. Zum Glück ist das Springen nur im Sommer möglich, denn Dominik stellt auf der Brücke fest: „So hoch sind die 19m ja gar nicht.“

Auf der Rückfahrt erklärt uns unser Fahrer den Touristenboom mit der Nähe zu Dubrovnik. Über Bus Touren kann man dort für einen Tag Mostar besichtigen. Irgendwie ist es schade um die schöne Stadt, auf der anderen Seite wirkt Mostar weitaus ordentlicher und wohlhabender als die anderen Städte des Landes, die wir bis dato durchquert haben.

Es ist noch nicht spät und warm genug für eine Dusche. Die kleinen Duschhäuschen sind nicht beheizt und so empfiehlt es sich die gewohnte Duschzeit auf den Mittag zu verschieben. Die Sanitäranlagen sind verhältnismäßig sauber. Deutsche Vergleiche sind beim Reisen eh oft fehl am Platz. Geputzt wird hier, in dem einmal Wasser durch die Räume gekippt wird. So teilt sich Jasmin ihre Toilette auch bis zum Ende mit einem fetten Grashüpfer. Den Abend lassen wir wie geplant bei einem Essen in der kleinen Bar ausklingen. Aber heute haben wir ein Date! Wir sind mit Angela und Thorsten von dakommtnochwas verabredet. Wir haben die Beiden am Vormittag kennengelernt und erfahren, dass sie ebenfalls Richtung Griechenland reisen. Da sie dort im vergangenen Jahr schon 8 Monate verbracht haben, sind wir auf ihre Erfahrungen gespannt.

Bei einem Bier berichten Sie von den schönsten Stellplätzen auf Peleponnes und von den Anekdoten und Abenteuern ihrer Reise. Ihre Geschichten sind spannend. Den Beiden zu lauschen, ist wie in einem Abenteuerroman zu stöbern. Aber auch ihre Lebensgeschichte beeindruckt. Vor zwei Jahren sind sie in Rente gegangen, wohnen seitdem in ihrem jahrelang ausgebauten IVECO Shelter, eine Art Unimog und trotzen in unseren Augen dem stupiden Lebenstrott. Das Angela und Torsten trotz Rückschläge in den letzten Jahren ihren Traum leben, beeindruckt uns sehr. Hoffentlich sind wir in 35 Jahren noch genauso cool und zielstrebig. Trotz eines gewissen Altersunterschiedes sind wir auf der gleichen Wellenlänge. Solche Begegnungen sind einfach schön.

Jasmin kann nicht anders, als uns selbst einzuladen. Wir brennen darauf ihren Shelter von Innen zu sehen. Und so verabreden wir uns für den nächsten Morgen zu einer kleinen Tour durch ihr zuhause. Sieben Jahre haben die Beiden mit dem Ausbau zugebracht. Entsprechend beeindruckend gestaltet sich das Innenleben. Zwei Heizsysteme, 300 Liter Wasserspeicher, Playstation 4, über 400 Ah Batterien usw. Wenn wir zurückblicken, wie viel Nerven uns Frieda in den 1,5 Jahren gekostet hat, Respekt. Wir hoffen die beiden in Elea, Griechenland, wieder zu treffen.