#28 blinkend durch den Norden Bosniens

Nach dem grandiosen Reiseauftakt bei Taric sind wir gespannt ob das Land den ersten Eindruck dieser herzlichen Gastfreundschaft halten kann. In Bosnien & Herzegowina ist wildcampen grundsätzlich verboten, wird aber unter gewissen Umständen geduldet. Daher ist unser heutiges Reiseziel der Ort „Jaice“ am Fluss Pliva, Ausflugs- und Übernachtungsort zugleich. Beim Verlassen des Una Nationalparks führt uns unser Weg noch einmal durch den bunten Herbstwald des Parks. Am Wegesrand scheinen fast ausschließlich Laubbäume zu stehen und so strahlen die Berge trotz miesem Wetter in allen Farben. Trotz des schönen Anblicks wird unsere Stimmung ein wenig getrübt. Alle paar Meter treffen wir auf syrische Flüchtlinge am Straßenrand die Richtung Bihać zu laufen zu scheinen. An diesem Ort trennen sie nur wenige Kilometer von der EU. Ein wenig traurig stimmt es uns vor allem, da Taric uns am Vorabend noch erzählt hat, wie Grenzzöllner Flüchtlingen das Geld abnehmen und ihre Handys zertreten, um sie anschließend zurück nach Bosnien zu schicken. So sitzen in einem eh schon eher ärmeren Land Flüchtlinge fest.

Auf unserer heutigen Reise bleiben wir nachdenklich. Wir fahren durchs Land und an vielen Ecken ist die eher verarmte Bevölkerung nicht zu übersehen. So viele Häuser die aus deutscher Sicht noch im absoluten Rohbau sind. Nichts ist verputzt oder gedämmt, aber die ersten Fenster eingesetzt und die Häuser meist trotzdem schon bewohnt. Unfertige Bauruinen wohin wir auch schauen. Manchmal werden die leerstehenden Wohnhäuser bis oben hin mit Heu gefüllt, um es vor der Feuchtigkeit zu schützen. Egal an welchem Fluss wir entlangfahren, er ist verschmutzt. Haufenweise Plastikmüll ist ans Ufer gespült, Müllbeutel einfach abgeladen. Getränkekästen schwimmen auf dem Wasser. Der Straßenrand zieht eine zarte, aber konstante Spur an Müll mit sich. Ab und an ein Straßenhund. Es ist schwer das zu ignorieren. Lässt man den Blick in die Ferne schweifen ist dort der Gegenpart. Eine schöne Landschaft, die es Wert ist, bereist zu werden.

Während wir die Landschaft betrachten, gibt uns ein Auto aus dem Gegenverkehr eine Lichthupe. Erster panischer Blick auf Frieda. Ist irgendetwas nicht richtig? Blinkt Frieda wieder? Dann die nächste Lichthupe. Ok, irgendetwas passt nicht. Wenige Meter weiter folgt der Grund, eine Verkehrskontrolle. Nicht die Erste, die wir sehen, aber der Polizist hält seine Kelle raus. Kurz schlägt das Herz höher. Mit schlechten Vorurteilen gewappnet sind wir bereit das Portemonnaie zu zücken. Wenn Ärzte in diesem Land für einen Geldschein schnellere Termine vergeben, dann müssen wir vielleicht auch an Polizisten zahlen? Wir fühlen uns schrecklich, als wir einfach weiterfahren dürfen. Er wollte nur den Führerschein sehen.

Nach einer weiteren Stunde Fahrt ist es dann doch Frieda, die Aufsehen erregt. Sie blinkt. Schon wieder. Vorteil solcher Länder wie Bosnien ist, es wird viel selbst gemacht und so ist es nicht schwer einen Mechaniker zu finden. Wir rollen beim nächstbesten auf den Hof. Finden direkt einen Fachmann und fragen schüchtern: „Deutsch? Englisch?“ Fragen wir üblicherweise sonst als erstes nach „Englisch?“, haben wir uns das hier abgewöhnt. Die meisten Einheimischen sprechen meist eher ein paar Brocken bis ziemlich fließend deutsch. Der Mechaniker lacht, strahlt und klopft uns auf die Schulter, als er unsere Erleichterung sieht. Er spricht gut deutsch. Im Supermarkt mit Händen und Füßen Gemüse den Schildern zu zuordnen oder beim Bäcker Brot kaufen ist mit Pantomime doch ein niedrigerer Schwierigkeitsgrad als Friedas Elektronik Defekt mit Hand und Fuß zu erklären. Der Mechaniker versteht schnell und erklärt uns, dass wir einen Elektroniker und keinen Mechaniker brauchen. Er telefoniert kurz, aber der benachbarter Elektroniker ist erst in einer Stunde wieder da. Wir sollen ein paar Meter weiter fahren, da kommt ein Schrottplatz, vielleicht kann der helfen. Wir bedanken uns herzlich und fahren blinkend weiter.

Der Schrottplatz sieht nicht vielversprechend aus, wir fahren bis zu unserem Tagesziel Jaice und dort zur nächsten Werkstatt. Diesmal auf Englisch. Auch er ist Mechaniker und kann uns daher leider nicht helfen. Lässt sich aber trotzdem kurz das Problem erläutern, vielleicht hat er doch eine Idee. Es folgt wieder die Empfehlung eines Elektronikers am anderen Ende der Stadt. Er beschreibt das Haus und ein paar Minuten später stellen wir Frieda dort vor. Aber sie blinkt nicht mehr. Die kurze Pause beim Mechaniker hat gereicht, damit sie sich wieder beruhigt. Wir lassen es jetzt trotzdem prüfen. Daher wieder die Frage „Deutsch? Englisch?“ Der Elektroniker dreht auf dem Absatz um drückt die Klingel vom Wohnhaus, spricht und kurze Zeit später kommt seine Tochter. Sie spricht fließend englisch und übersetzt regelmäßig. Während er Glühbirnen wechselt, ein, zwei Dinge an der Elektronik prüft und wir immer wieder erklären, dass das Auto fahren muss, damit der Fehler auftritt, haben wir genug Zeit uns ein wenig mit seiner Tochter zu unterhalten. Sie erkennt schnell, dass Frieda ein Camper ist und ihrem Gesichtsausdruck nach ist sie sehr überrascht, als sie erfährt, dass wir sechs Monate durch Europa reisen. Sie selbst studiert ein paar Orte entfernt und erzählt ein wenig über sich und ihren Wohnort. Wir fragen noch kurz wie sicher das Wildcampen am Fluss wäre. Sie schüttelt den Kopf und erzählt uns, dass es eine sichere Kleinstadt wäre und wir keine Bedenken haben sollen. Der Elektroniker hat die defekten Heckglühbirnen getauscht, aber Frieda blinkt eben nicht. Wir bezahlen 10 Mark und sollen wiederkommen, sollte es wieder auftauchen. Spricht der Elektroniker auch kein Deutsch, reicht es doch für ein schmunzelndes „Fiat“ (verneinendes Kopfschütteln) „Mercedes!“ (Schmunzeln). Dafür braucht es keine Übersetzung. Er wollte unser Auto diskreditieren und uns einen seiner Mercedes Wagen verkaufen. Wir lehnen dankend ab.

Auf dem Weg zu unserem Schlafplatz legen wir noch einen schnellen Stopp beim Bäcker ein. Dunkles Brot suchen wir hier vergebens. Wir kaufen einen Brötchenkranz und teilen uns einen Burec. Lecker wie immer! Entlang der Pliva gibt es unzählige Parkbuchten. Keine ist belegt. Wir können uns gar nicht entscheiden, wo wir heute übernachten. Auf einem kleinen Schotterplatz halten wir. Noch ein wenig zaghaft, ob wir hier wirklich campen wollen und ob das im Dunkeln nicht zu gruselig ist, nutzen wir das Tageslicht und spazieren den Fluss aufwärts. Am Ende gelangen wir in einen schön angelegten Park mit einem Sprungturm aus Holz, kleinen Brücken und traditionellen Holzhütten. Mehr Touristeninformationen gibt es leider nicht, also genießen wir einfach den Anblick. Der Parkplatz hier sieht irgendwie einladender aus. Wir parken noch einmal um und können diese Nacht mal wieder mit dem Rauschen von Wasserfällen einschlafen. Spätestens als sich abends ein zweiter, französischer Camper zu uns gesellt schlafen wir beruhigt und entspannt ein.

Der Wecker klingelt früh am nächsten Morgen. Bevor wir nach Sarajevo fahren, wollen wir uns noch den Wasserfall von Jaice anschauen. Wir wollen gerade vom Wohnbereich in die Fahrerkabine wechseln und öffnen die Seitentür, da werden wir vor unserem Auto schon von einem kleinen Empfangsduo erwartet. Zwei Straßenhunde haben uns als Touristen enttarnt. Spätestens hier wird uns klar, als Hundeliebhaber werden diese Begegnungen auf der Reise eine echte Herausforderung für uns. Schweren Herzens ziehen wir weiter.

Der Wasserfall, auf den auch die Mechanikertochter sehr stolz war, empfinden wir eher als pures Tourismusziel. Wir spazieren noch vor der ersten Brücke am ersten Souvenierstand vorbei und wollen nur einen kurzen Blick in die Altstadt werfen, da werden wir vom nächsten Rudel Straßenhunde überrannt. Der kleinste ein Jack Russel – irgendetwas Mischling führt die Rasselbande an und erkennt sofort, dass wir Touristen sind. Ihm folgen zweit weitere, ein agiler, junger Streuner und ein deutlich sensibleres Mädchen. Ab sofort haben wir Begleitschutz. Es ist als würden sie uns den Weg zum Aussichtspunkt zeigen wollen. Sie schauen sich um, es ist sicher, wir dürfen gehen. Wir knipsen schnell ein Foto, aber nach dem Naturspektakel im Nationalpark Una, löst dieser hier leider keine Begeisterung bei uns aus. Die Fotos auf den Schautafeln lassen aber erahnen, dass das im Sommer ein richtiges Reisehighlight ist. Sie zeigen Massen von Menschen neben dem Wasserfall. Unsere Begleithunde bringen uns sicher bis zum Auto und erhoffen sich ein kleines Trinkgeld in vorm von Speisen. Wir empfinden sie als ein wenig zu pummelig und widerstehen der Versuchung. Im Seitenspiegel sehen wir wie sie kurze Zeit später von zwei jungen Männern mit Burec gefüttert werden. Das erklärt dann wohl die Figur. In der Ferne ertönt ein Hundegeheul. Die Hundedame war am Wasserfall zurückgeblieben, der Anführer und der junge Streuner sprinten über die Brücke und eilen ihr zu Hilfe. Die drei wirken wie eine eingeschworene Einheit, sie achten auf einander und teilen fair.