#26 Adria – Tourismus statt Kultur

Da wir Slowenien über die Landstraße verlassen schlängeln wir uns auch nach der Grenze durch die Natur Kroatiens und werden dafür mit einem unfassbaren Blick bis zum Meer belohnt. Die Bauweise der Häuser hat sich direkt der mediterraneren Natur angepasst. Es fühlt sich wie Urlaub an. Genau danach haben wir gerade gesucht. Leider rückt die schöne Landschaft schon nach wenigen Kilometern in den Hintergrund. Plakatwände pflastern den Straßenrand. Neben der zahlreichen Hotelwerbung finden auch sämtliche lokale Unternehmen einen Platz für ihre Botschaft. Schon jetzt ist der Tourismus spürbar. In Kroatien ist Wildcampen untersagt und wird auch streng kontrolliert, bei den Touristenmassen auch durchaus nachvollziehbar. An der Küste der Halbinsel Istriens gibt es noch einen geöffneten Campingplatz. Der Weg dorthin führt uns durch eine Geisterstadt geschlossener Hotels und Campingplätze. Wir sind definitiv außerhalb der Saison unterwegs. Die Anmeldung auf dem Campingplatz scheint zunächst unkompliziert. Wir suchen uns einen Platz, melden unsere Nummer an der Rezeption und bezahlen. Wir haben online das Schnäppchen Wintercamping für 16 Euro zzgl. Kurtaxe gefunden und suchen uns einen entsprechenden Stellplatz im günstigeren Campingplatzbereich. Kein Meerblick, dafür aber unter Olivenbäumen. Trotz mehrfacher Hinweise auf das Winterangebot zahlen wir für zwei Nächte plötzlich 50 Euro. Es mag geizig klingen, aber auch bei einer Weltreise ist haushalten notwendig und vielmehr fühlen wir uns betrogen, da die Dame an der Rezeption gutes Englisch spricht. Eine kleine Diskussion später finden wir einen Kompromiss, aber der Beigeschmack von „Touristen übers Ohr hauen“ bleibt.

Auf dem Gelände riecht es nach Sonnencreme und Pool. Es sind 22 Grad. Es fühlt sich wie Sommerurlaub an und wir wollen endlich ans Meer. Mit Juli schlendern wir die Bucht entlang zum Hundestrand. Wir sind völlig aufgekratzt und können unser Glück kaum glauben, denn die Bucht gehört fast uns ganz allein. Wir waren solange im Inland unterwegs, dass wir den Blick auf die Adria sehr genießen. Das hiesige Hotel und auch das große, angrenzende Areal des Nudistencamps sind geschlossen. Unvorstellbar wie es hier im Sommer aussieht. Die für Sonnenliegen begradigten Küsten lassen erahnen, wie Menschen hier sonst dicht an dicht in der Sonne schwitzen. Wir sind uns schon nach wenigen Minuten sicher, dass die Adria im Sommer nicht nach unserem Reisegeschmack ist.

Zum Glück lieben Menschen unterschiedliche Arten zu reisen, dennoch bleibt uns der Zauber eines zweiwöchigen Urlaubs auf einem Campingplatz verborgen. Wir sind nicht die einzigen Camper, die das Glück der letzten sonnigen Tage an der Adria auskosten. Viele unserer Nachbarn verbringen den Großteil des Tages vor ihrem Wohnwagen, saugen ihren davor ausgerollten Teppich und werkeln am Wohnmobil. Schräg gegenüber wohnen slowenische Dauercamper, die ihren Platz mit Kieselsteinen auffüllen wollen, um den roten, stark färbenden Lehmboden zu überdecken. In unseren 3 Tagen auf dem Platz lässt sich der Arbeitsfortschritt gut beobachten. Es wird jeden Tag wild gestikuliert, lautstark diskutiert, wild geschippt und auch wenn mehr Steine den Weg auf den Vorplatz finden, ist der Kieselsteinhaufen, der liebevoller Weise auf dem Grundstück des Nachbarcampers platziert wurde, auch an Tag 3 nur geringfügig kleiner geworden. Ein österreichischer Nachbar brüllt verlässlich jeden Tag mindestens einmal seine Frau an, ein anderer rammt beim Einparken den Olivenbaum, begutachtet seine Einparkkünste und stellt fest, doch ein bisschen knapp. Pünktlich jeden Tag vor dem Mittagessen ertönt in der Nachbarschaft das zischende Ploppen einer Getränkedose. Unterhaltsam ist dieser Trubel sicherlich, aber erholsam?

Ein wenig Abwechslung bietet uns am zweiten Tag ein vor Ort stattfindender Triathlon. Dominik ist völlig aus dem Häuschen, denn nach seinem ersten Marathon soll nach der Weltreise der erste kleine Triathlon folgen. Unser Campingplatz liegt im Streckenabschnitt der dritten Disziplin, dem Laufen. Haben wir in Deutschland schon oft bei solchen Veranstaltungen zugeschaut und Dominik auch schon an einigen Volksläufen teilgenommen, haben wir noch nie eine derart miese Wettkampfstimmung erlebt. Auf unserem gesamten Streckenabschnitt interessiert sich kein Tourist für die Läufer. Im Gegenteil scheinen die Touristen die Disziplin eher in einen Hindernislauf wandeln zu wollen. Läufer müssen auf ihrer Strecke häufig den Fußgängern ausweichen. Kein Klatschen, kein Zurufen, kein Zuschauen. Streckenposten, die während sie einem Läufer ein Getränk reichen, nebenbei rauchen. Dafür wird das Trauerspiel professionell fotografiert. Für das größte Aufsehen sorgen jedoch nicht die Wettkampfteilnehmer, sondern eine Möve, die mit der Drohne, die den Lauf aus der Luft festhalten soll, absolut nicht einverstanden ist. Skeptisch kreischend zieht sie immer enger werdende Kreise um das Flugobjekt, bis der Fotograf seine Drohne panisch rettend zu Boden zurückholt.

Mit dem letzten Tag an der Adria enden auch die sommerlichen Temperaturen. Ab sofort sind Nieselregen und für Bosnien & Herzegowina nachts sogar Schnee angesagt. Wir verabschieden den Sommer und das Meer und brechen früh morgens Richtung kroatischer Grenze auf. Ursprünglich war unser Ziel der Nationalpark Pivlitzer Seen, aber eine kleine Internetrecherche hat uns die Vorfreude genommen. Berichten zufolge besuchen den Park 15.000 Leute pro Tag. Um mehrere Stunden Wartezeit an der Kasse zu vermeiden, sollten die Tickets vorab online gebucht werden. Den Bewertungen auf Google zu Folge sind die Hauptrouten durch den Park überfüllt und es ist ein wenig Wartezeit notwendig, um an den schönen Spots Fotos zu machen. Nachdem die letzten Kommentare immer noch darauf hinweisen, dass trotz Ende Oktober viele Touristen vor Ort sind, entscheiden wir uns gegen einen Besuch. Jasmin ist für die 19km Wanderung durch den gesamten Park noch nicht fit genug und mit Eintritt, Parkgebühr und Unterkunft sind uns 55 Euro dafür einfach zu teuer.

Stattdessen halten wir spontan in der kleinesten Stadt der Welt, Hum. Sie liegt auf unserer Route und schon der Weg dorthin ist ein Abenteuer. Ständig ändern wir unseren Weg, da die Straßen dorthin gesperrt sind. Irreführende Schilder, die die Durchfahrt verbieten, können Dominik jedoch nicht abbringen und führen uns sogar mitten über eine Großbaustelle. Der Bauarbeiter nickt uns aufmunternd zu und so gelangen wir am Ende tatsächlich bis zur Stadt Hum, die auf einem Hügel mit wundervollem Ausblick liegt. Mit uns sind fünf weitere Autos vor Ort. Eine Parkgebühr müssen wir in der Nebensaison nicht entrichten. Wir schlendern durch die drei Gassen, bewundern die Häuser, den hübschen Kirchturm und genießen die kleine Mittagspause.

Cornflakes zum Mittag machen leider nicht satt und so halten wir auf unserer weiteren Route an einem Supermarkt, einem Lidl.  Legen wir sonst Wert darauf in lokalen Supermarktketten einzukaufen ließ sich das diesmal aufgrund zu kleiner Parkplätze nicht verhindern. Frieda erkämpft sich einen Parkplatz und wir genießen Burek, dass aufgrund mangelnder kroatischer Sprachkenntnisse blindlinks ausgewählt wird. Ein Fertigprodukt und trotzdem schon lecker. Wie schmeckt das wohl erst original?

Die Fahrt zieht sich trotz Autobahn. Langsam wird es dunkel. Unsere Navigationsapp hat einen irrwitzigen Weg Querfeld ein gewählt und so tuckert Frieda durch nebelverhangene Wälder, die finsterer nicht sein könnten. Je näher wir der Grenze kommen, desto ärmer scheinen die Dörfer zu werden. Die verfallenen Häuser nehmen zu und wir fahren schweigend durch das Land. Irgendwie waren wir darauf noch nicht vorbereitet – Bretterverschläge, unverputzte Häuser, Haufen von Feuerholz. Frieda reißt uns aus unseren Gedanken. Erst blinkt sie nach Lust und Laune in den Kurven nur vereinzelt, doch dann lässt sich der Warnblinker nicht mehr ausschalten. Die heutige Fahrstrecke hat ihr offenbar nicht gefallen. Wir hatten dieses Elektronikproblem noch in der Heimat vor Abfahrt beheben lassen, aber nun ist wieder da. Sie blinkt. Ohne Unterlass mit immer weniger Pausen. Und so schleppen wir uns blinkend durch die Dunkelheit Richtung Grenze, in der Hoffnung, dass uns das Scheinwerferlicht nicht gleich gänzlich ausgeht. Die letzten 20 Minuten führen uns glücklicherweise am Nationalpark Plivitcer Seen vorbei. Ist Massentourismus sonst wirklich nicht unser Ding, könnten wir hier Notfalls in jeder Einfahrt halten und im entsprechenden Hotel übernachten. Aber Frieda hält durch. Dominik, völlig entnervt vom monotonen Blinksong Friedas, sinkt erleichtert hinterm Steuer zusammen, als wir endlich den heutigen Schlafplatz erreichen. Erschöpft wechseln wir in unser einziges „schickes“ Outfit aus unserem Reisekleiderschrank und gehen Essen. Denn heute übernachten wir auf dem Parkplatz eines Restaurants. Wer hier isst, darf die Nacht gerne auf dem Parkplatz hinterm Haus mit Blick ins Grüne verbringen. Wir genießen Pizza und einen kroatischen Grillteller und freuen uns auf unser Bett direkt hinterm Haus.