Da uns der Regen durch Montenegro getrieben hat, haben wir einige der geplanten Zwischenstopps wie Kotor oder Podgorica nicht besichtigen können. Das Glas ist aber nun einmal halbvoll, bleibt mehr Zeit für die kommenden Ziele. Ganz oben auf der Liste steht Bogë. Das Dorf liegt ganz im Norden, in den albanischen Alpen. Die Anreise verspricht abenteuerlich zu werden, unser Navi weist für die letzten Kilometer entlang der Berge auf einen Erdweg hin. Schnell bemerken wir jedoch, dass wir uns völlig umsonst Sorgen um Frieda machen, die Straßen werden zwar eng, schmal und kurvenreich, der Zustand ist aber okay.
Unsere Unterkunft liegt gefühlt fast am Ende eines Tals. Auf dem Weg zu unserem Camp passieren wir im Dorf einige Kühe, Schweine, Schafe und natürlich Straßenhunde, die mehr oder weniger direkt auf der Straße unterwegs sind. Hier scheint die Zeit still stehen geblieben zu sein. Selbstbewusst folgt Dominik den Anweisungen des Navis, welches Frieda in eine enge Zufahrt führt. Diese ist so schmal, dass wir bei offenem Fenster ohne Probleme links und rechts die Mauern berühren könnten. Ein Mann kommt uns entgegengerannt, unser Gastgeber. Falsche Einfahrt, das große, breite Tor wäre es gewesen. Unter seinen kritischen Blicken bugsieren wir Frieda millimeterweise rückwärts. Aber Dominik und Frieda sind nach so vielen gefahrenen Kilometern ein unschlagbares Team geworden und meistern dies mit einem kleinen Augenzwinkern. Die Stelleplätze des Camps sind jeweils durch eine Art natürlicher Carport abgegrenzt und mit Zweigen der umliegenden Bäume bedeckt. Da wir die einzigen Gäste sind, haben wir freie Platzwahl. Wir parken Frieda so, dass das leicht leckende hintere Dachfenster trockensteht, während die Solaranlage ein wenig Sonne sieht, sollte diese sich denn einmal zeigen.

Unser Gastgeber begrüßt uns freundlich und zeigt uns die Anlage. Er beherrscht ein paar Brocken Englisch, während sein Vater offensichtlich kein Wort spricht, dafür aber umso freundlicher versucht mit uns mit Händen und Füßen zu kommunizieren. Wir lächeln verlegen. Jasmin schaut sich gerade die Sanitäranlagen an, dreht sich um, beide sind weg, nur die Hausschweine stehen mitten im Vorgarten. Während Jasmin sucht, bekommt Dominik vom Vater eine Privatführung. Stolz zeigt er „Pool“ und Restaurant, das wir definitiv testen werden. Neben den Schweinen teilen wir uns die Wiese noch mit zwei Kühen und einem halben Dutzend Schafe, deren Hinterlassenschaften aus dem Weg zu den Badezimmern einen echten Hindernislauf gestalten. Mit unseren Gummistiefeln tippeln wir im Zickzack zu Frieda zurück.
Juli findet den Platz um so spannender. Vermutlich würde sie diesen Platz als Lieblingsreiseziel beschreiben, denn die Gerüche, die Tiere und das eingezäunte Gelände, auf dem sie sich frei bewegen kann, machen sie geradewegs verrückt. Halten wir uns in den kommenden Tagen im Bus auf, sitzt Juli immer wieder an der Tür, um nach draußen zu dürfen. Normalerweise ist das Zeichen dafür, dass sie ihr Geschäft erledigen muss, in diesem Fall versucht sie uns aber einfach nur immer wieder aufs Neue auszutricksen.
Da wir uns noch unsicher über unsere weiteren Reisepläne sind, haben wir in Albanien kein Geld geholt und sind lediglich mit Euro unterwegs. Aufgrund der Internetbewertungen unseres derzeitigen Schlafplatzes hatten wir gehofft, dass wir in Grenznähe noch mit unserer Währung bezahlen dürfen. Leider lehnt der Besitzer trotz vor Ort ausgeschriebener Europreise ab. Wir müssen also irgendwie an Bargeld kommen. Er zeigt Richtung Dorf und sagt, dass es dort möglich ist Geld abzuholen. Skeptisch starten wir unsere Erkundungstour. Unsere Navigationsapp enttäuscht uns eigentlich nie und zeigt in der gesamten nördlichen Region nur wenige Geldautomaten an. Der Nächste scheint für uns Kilometer entfernt zu sein. Was soll’s. Drehen wir eben eine Runde mit Juli. Neben ein paar Wohnhäusern und Autocamps gibt es hier eigentlich nichts. Die Straße weiter ins Tal entlang finden wir ein Gebäude, das vielleicht eine Post oder Polizei sein könnte. Es stellt sich als Restaurant heraus. Vorsichtig lächelnd fragen wir in Englisch nach einem Geldautomaten. Die Dame schaut uns an, stürmt kurzerhand ins Haus und bringt ihre Tochter mit. Sie kann übersetzen und bestätigt unsere Vermutung – der nächste Geldautomat ist mindestens eine Stunde Autofahrt entfernt. Hoffentlich können wir doch in Euro bezahlen.
Auf unserem Rückweg treffen wir kleine Ferkel die quiekend über die Straße laufen, eingeschüchterte Straßenhunde, die im Gegensatz zu Bosnien einen großen Bogen um uns machen und Schafe, die durchs Dorf getrieben werden. Kein Wunder das Landschaft und Straßen von Tierkot gesäumt werden. Nach diesem etwas anderen Spaziergang, stellt sich zurück im Camp beim erneuten Fragen zumindest heraus, dass wir doch mit Euro bezahlen können. Hier gab es eindeutig Kommunikationsprobleme. Das hätte uns lehren sollen, dass auch die Frage, ob das Restaurant des Camps grundsätzlich geöffnet ist, in die falsche Richtung führen kann.
Als Dominik in den Abendstunden zur Toilette geht, sieht er unseren Campbesitzer allein bei kleiner Beleuchtung im Restaurant sitzen. Wartet er etwa auf uns? Im Van empfängt Jasmin Dominik mit kleinen belegten Broten und sauren Gürkchen, da es heute bereits ein großes Mittagessen gab. Wir sind noch so satt, aber wir bringen es nicht übers Herz unseren Gastgeber vergeblich warten zu lassen. Die sauren Gürkchen plumpsen also zurück ins Glas, der Käse wird vom Brot gekratzt und zurück in die Verpackung gelegt und das Brot luftdicht eingetütet. Heute essen wir offenbar albanisch. Hoffentlich hat die Karte auch Kleinigkeiten parat.
Schon als wir das Restaurant betreten, ist klar, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Lediglich unser Tisch für zwei Personen am Kamin war gedeckt. Der Besitzer bringt uns die Speisekarte und es klingt alles hervorragend. An solchen Orten bekommt man das beste Fleisch, denn es ist entweder das eigene Vieh oder der Nachbar hat gerade geschlachtet, das Gemüse kommt aus dem eigenen Karten. Kleine Gerichte gibt es zum Glück auch auf der Karte, aber sie sind so günstig, dass diese allein zu bestellen nicht genügen würde. So entscheiden wir uns für eine hausgemachte Gemüsesuppe und einen Antipasti Teller, der von allem etwas enthält. Schon bei der Suppe gibt sich Jasmin geschlagen. Damit sie die Häppchen überhaupt noch probieren kann, muss Dominik ihre Suppe mitlöffeln. Danach gibt es hausgemachten Käse, Oliven, gedünstetes Gemüse usw. Freudig bestätigen wir ihm, wie lecker sein Essen ist und loben besonders das Gemüse. Keine Minute später türmt er den Rest der Gemüsepfanne auf unseren Tisch. Jetzt hilft nur noch ohne Pause stopfen und zwischendurch tief atmen. Erleichtert am Ende doch irgendwie fast alles geschafft zu haben, lehnen wir uns mit geblähten Bäuchen im Stuhl zurück, da kommt er erneut mit einem großen Teller um die Ecke. Es gibt frische Melone aufs Haus.

Die nächsten Tage ähneln einander sehr. Wir spazieren die Dörfer entlang und speisen gut. Autos gibt es hier wenig. Schwere Lasten werden nach wie vor mit dem Esel transportiert. Die Einwohner sind sehr freundlich und trotz Sprachbarriere interessiert. Ihre Kenntnisse genügen um zwei Informationen von uns in Erfahrung zu bringen: Herkunftsland und unseren Familienstand. Eigentlich haben wir Bogë angesteuert, um das „blaue Auge“ zu besuchen. Ein kreisrunder, dunkler Fleck mitten in einem See. Leider macht uns erneut das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Der Regen hört einfach nicht mehr auf und die Wettervorhersage für die nächsten Wochen verspricht ebenfalls nichts Gutes.
Seit Tagen überlegen wir, ob wir unsere Tour in den Süden hier abbrechen. Bei Regen nur im Bus zu verharren, nur um es an unser geplantes südlichstes Ziel Griechenland zu schaffen scheint irrsinnig, gleichzeitig ist, Sachen nicht zu Ende zu bringen, nicht unser Ding. Und dann kommt das Ende irgendwie ganz abruppt. Der Regenradar will seine Meinung nicht ändern und irgendwann ist es nicht mehr nur der Kopf, der uns vom Umkehren überzeugen will, sondern auch das Bauchgefühl. Seitdem wir uns kennen haben wir von dieser Reise geträumt. Natürlich können wir nach Griechenland jederzeit wieder reisen, aber mit dem Umkehren endet auch das Abenteuer Frieda fürs Erste. Wir haben uns kurzerhand entschieden sie in den Winterschlaf zu schicken und für drei Wochen ein Ferienhaus in den Niederlanden zu mieten. Derzeit haben wir das Gefühl, ein wenig mehr Bewegungsfreiheit und eine winterliche Seebrise würden uns guttun. Und so brechen wir am nächsten Tag in Richtung Heimat auf.
Wir legen keine großen Stopps mehr ein. Wir wollen einfach nur nach Deutschland. Und so sitzen wir den Großteil des Tages im Auto. Planen unsere Route nach Friedas Macke stets nach circa 2 Stunden mit dem Blinken zu beginnen und planen entsprechend unserer Pausen. Wir kommen gut durch. Lediglich die Grenzübergänge bringen ab und an einen kleinen Nervenkitzel. So werden wir von einem Beamten am Grenzübergang von Albanien nach Montenegro hinaus gewunken. Leider spricht niemand Englisch und so ist uns nur bedingt klar, was von uns erwartet wird. Wir sollen zu einer gegenüberliegenden Garage fahren. Um uns herum wuseln junge Männer mit Ausweisen um den Hals, Autofahrer und Zollbeamte. Wir folgen der gezeigten Richtung und Entdecken eine Garage mit Grube. In diesem Moment wird uns klar, die wollen unser Auto komplett durchsuchen. Natürlich führen wir nichts Verbotenes ein und sind daher ein wenig frustriert, da uns die Kontrolle einfach nur Zeit kosten wird. Fünf Minuten warten wir vor der Garage aber niemand kommt. Als brave Deutsche haben wir davor geparkt und fahren ohne Aufsichtsperson natürlich nicht einfach hinein. Plötzlich überholt uns ein albanisches Auto und parkt über der Grube. Aus der Ferne kommt ein Grenzbeamter zu uns hinüber, sieht uns und winkt ab. Offensichtlich hat auch er keine Lust unseren Van zu kontrollieren. Zum Glück, wir dürfen weiterreisen, das albanische Auto durchsucht.
Da Frieda leider kein kleiner Van ist, sondern ein Transporter mit Stehhöhe, müssen wir an den Grenzen oft die Türen öffnen, um zu zeigen, dass es sich um einen Camper handelt. Wir sind kritische Blicke und Fragen nach dieser Reise also schon gewohnt, als uns aber auf dem Weg nach Slowenien ein Zivilwagen rauszieht, sind wir doch nervös. Da Slowenien Mautpflichtig ist, und wir das Land an der schmalsten Stelle passieren, sind wir ganz ehrlich auch einfach zu geizig für circa eine Stunde Fahrt erneut 30 Euro zu bezahlen. So haben wir uns für eine Landstraße entschieden und nehmen daher die letzte Autobahnausfahrt in Kroatien. Es dauert keine fünf Minuten bis besagter Zivilwagen hinter uns aufblinkt. Sie sind uns offenbar gefolgt. Dominik muss den zwei Beamten Führerschein und Fahrzeugpapiere zeigen und das Auto öffnen. In Deutschland hätten wir vermutlich für den nicht gesicherten Wäscheständer, der mittlerweile einfach im Gang steht, ein Bußgeld erhalten, aber diesen Beamten sind die herumliegende Mülltüte und der Wäscheständer zum Glück egal. Einer der Beamten öffnet die Beifahrertür und wühlt ein wenig angewidert im Seitenfach. Es ist voller Kekskrümmel, Verpackungsmüll, Prospekten, Flaschen etc. Wir sind eben auf dem Heimweg. Sauber ist hier gerade nichts mehr. Zu diesem Schluss kommen offensichtlich auch die Zollbeamten, das Gespräch wird lockerer. Sie fragen uns, wie uns Kroatien gefallen hat und wir dürfen weiter, sodass wir nach fünf Tagen Rückfahrt tatsächlich wieder in Deutschland sind.
Das war es also. Etwa fünf Monate waren wir mit Frieda unterwegs. Haben an den schönsten Orten gecampt, Land und Leute entdeckt. Ganz ohne Panne, nur mit Blinkmacke. Zwei Jahre haben wir sie gezielt für diese Reise ausgebaut. Hat uns der hektische Berufsalltag in Düsseldorf manchmal erdrückt, haben wir nur davon geträumt wie wir in unserem Bus liegen und bei geöffneter Hecktür die Natur genießen. Und jetzt ist es vorbei. Durch den abrupten Abbruch hatten wir irgendwie nur wenig Zeit, um uns an diesen Gedanken zu gewöhnen. Die drei Wochen in den Niederlanden werden dabei sicher helfen.